Sorry
an.
– Denkst du, das weiß ich nicht?
Sie hören das Ticken der Uhr.
– Wann?
– Wann was?
– Wann reden wir mit Gerald?
Kris sieht wieder an Tamara vorbei.
– Wie konnte er das nur tun?
Für einen Moment glaubt Tamara, Kris würde Wolf meinen, dann hebt sie die Schultern. Was soll sie darauf antworten? Was soll irgend jemand darauf antworten?
– Ich weiß es nicht, sagt sie.
– Wir sind ihm nicht in die Quere gekommen, er hat dennoch sein Wort gebrochen ...
Kris verstummt, seine Hände umfassen den Becher, die Daumen reiben über den Keramikrand.
– Soll ich dich mit Wolf allein lassen? fragt Tamara.
– Wieso das?
– Ich dachte nur, daß du ...
Sie verstummt und begreift, daß sie projiziert. Sie hat keinen Moment allein mit Frauke gehabt. Es ging zu schnell. Sie wünscht sich, sie hätte darauf bestanden, Frauke noch einmal zu sehen. Allein.
– Geh ruhig, sagt Kris.
Tamara geht zu Wolf und bleibt für eine Weile bei ihm.
Als sie später nach oben geht, steht Kris am Fenster seines Arbeitszimmers und schaut hinaus. Tamara klopft gegen den Türrahmen.
– Stör ich?
– Nein, komm ruhig rein, sagt Kris, ohne sich umzudrehen. Ich habe eben mit Gerald gesprochen. Wir treffen uns um vier in seinem Büro.
– Das ist gut.
– Ja.
Sie schweigen.
– Kris? Bitte, sieh mich an.
Kris dreht sich um.
– Wenn du willst, bleibe ich bei Wolf, du mußt es nur sagen.
– Bitte, sagt er, bitte, bleib bei Wolf. Einer von uns sollte auf ihn aufpassen.
Tamara nickt und geht wieder nach unten. In der Küche setzt sie Teewasser auf, und ihr Blick fällt auf die Einzelteile der Espressomaschine. Sie schließt eine Wette mit sich selbst ab. Wenn ich das Ding zusammenbaue, bevor Kris wieder da ist, dann wird alles wieder gut. Sie wartet, bis das Wasser kocht, und studiert dabei die Einzelteile. Als sie den Tee aufgießt, hört sie, wie Kris die Treppe herunterkommt. Er sagt, er wird spätestens um sechs wieder zurück sein.
– Ich rufe dich von unterwegs an.
Tamara sieht auf die Uhr über der Tür. Es ist drei. Sie gießt die Teeblätter ab und hört Kris vom Grundstück fahren. Nachdem sie einen Becher mit Tee gefüllt hat, legt sie ihn mit den Einzelteilen der Espressomaschine auf ein Tablett und bringt alles in das Wohnzimmer. Sie schiebt einen der Sessel so zurecht, daß sie Wolf auf dem Sofa sehen kann. Dann beginnt sie in aller Ruhe, die Espressomaschine zusammenzubauen.
KRIS
Bis um fünf läuft Kris durch die Stadt und versucht, einen klaren Kopf zu bekommen. Er ist froh, daß Tamara nicht weiß, wie nahe Wolf und er vor zwei Tagen Meybach gekommen sind. Um kurz nach fünf setzt Kris sich in einen Park und ruft Tamara an. Er sagt ihr, mit Gerald sei soweit alles gut gelaufen. Das Lügen fällt ihm leicht, es ist immer einfach, zu lügen, wenn man nichts zu verlieren hat.
– Er will morgen zu uns kommen.
– Und Wolf ...
– Dann kümmern wir uns auch um Wolf, spricht Kris für sie weiter.
Tamara fragt ihn, wann er nach Hause kommt.
– Ich brauche noch einen Moment für mich. Sonst alles in Ordnung bei dir?
– Die Espressomaschine läuft wieder.
– Prima.
– Kris?
– Was?
– Bitte, komm bald zurück.
– Versprochen.
Er unterbricht die Verbindung. Auch die zweite große Lüge des Tages ist ihm nicht schwergefallen. Er schaltet sein Handy aus. Es ist vollbracht. Er ist jetzt unerreichbar.
Es ist neun Uhr abends, die Restaurants sind überfüllt und der Frühling ein verlogener Sommer. Kris weiß nicht, was ihn weniger interessiert. Er sitzt jetzt Meybachs Wohnung gegenüber in seinem Auto und beob achtet das Mietshaus. Drei Stunden sind Zeit genug, um auch in der Leonardstraße einen Parkplatz zu finden. Die Fenster von Meybachs Wohnung sind dunkel. Um acht kamMeybachs Nachbar nach Hause. Kris hat vergessen, wie er heißt. Thomas oder Theo. Kris überlegt, ob er ihn ansprechen soll, denkt sich dann aber, daß er in seinem Zustand lieber niemanden sehen will. Die Waffe liegt in seinem Schoß wie eine aufdringliche Erektion. Er weiß nicht, warum er sie festhält. Er weiß auch nicht, was er tun wird, wenn er Meybach gegenübersteht.
Um zehn nach neun wir die Haustür geöffnet, und der Nachbar von Meybach kommt heraus. Er trägt einen Trainingsanzug und macht vor dem Haus ein paar Dehnungsübungen, bevor er in Richtung Park davonjoggt. Kris weiß, was Wolf jetzt sagen würde. Was stellst du dich an? Ich dachte, du hast einen Plan. Kris legt die Stirn gegen
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