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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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sein Handy. Es wird neun, dann zehn. Tamara weiß, daß sie nicht tatenlos herumsitzen kann. Irgendwas stimmt da drüben nicht. Sie hat das Gesicht des alten Mannes vor Augen, wie er am anderen Ufer gestanden und mit ihr gesprochen hat. Sie versucht, sich an die Worte zu erinnern, aber es war nur Geplänkel, nichts Bedeutendes.
    Er ist ein alter Mann, was soll er damit zu tun haben?
    Und der Kissenbezug? Was ist das für ein Zufall?
    Wieder Lilien. Immer wieder diese verdammten Lilien.
    Tamara war nur einmal bei den Belzens zu Besuch, sie hatten auf der Terrasse gesessen und Kaffee getrunken. Sie hatten nichtüber Lilien geredet, und im Garten der Belzens wuchsen auch keine.
    Sie sind seit über einer Woche verreist und haben vorher nicht Bescheid gesagt.
    Tamara geht nach oben und findet den Revolver in einem der Kartons. Frauke hat die Gaspistole vor Jahren von einem Freund geschenkt bekommen und nie benutzt. Die Gaspistole ist ein Revolverimitat. Niemand denkt an eine Gaspistole, wenn er diese Waffe sieht. Tamara hat keine Ahnung, wie das Ding funktioniert. Es kommt ihr auf den ersten Eindruck an.
    Ich könnte warten, bis Kris kommt.
    Ich könnte mir eine Decke über den Kopf ziehen und mich darunter verstecken.
    Ich könnte ...
    Schluß damit.
    Tamara klappt die Trommel auf. Eine gelbe Patrone befindet sich in der Trommel. Sie durchsucht den Karton, wühlt sich durch Fraukes Sachen. Mehr Patronen sind nicht zu finden.
    – Besser als nichts, sagt sie halblaut und nimmt die Gaspistole mit nach unten.
     
    Sie fährt mit dem Auto über die Wannseebrücke, biegt in die Conradstraße und hält am Kleinen Wannsee direkt vor dem Haus der Belzens. Ihr Wagen ist der einzige im Umkreis von zehn Metern. Niemand öffnet auf ihr Klingeln. Tamara geht durch den Garten und um das Haus herum. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, die Villa auf der anderen Uferseite zu sehen. Damals mit Astrid im Ruderboot war alles neu und aufregend, jetzt erscheint ihr die Villa vertraut, und es erschreckt sie, wie verlassen und trostlos ihr Zuhause auf die Distanz hin wirkt.
     
    Der Bewegungsmelder reagiert, die Lichter gehen an. Tamara wird von zwei Strahlern beleuchtet und versucht, nicht erschrocken auszusehen.
    Du kennst die Belzens, du bist keine Fremde, also verhalte dich auch nicht so.
    Sie schaut am Haus hoch. Drei Fenster sind gekippt, auch dieTerrassentür steht einen Spaltbreit offen. Tamara greift in den Spalt und schiebt die Tür ganz auf. Der Gestank läßt sie zurückweichen. Sie bleibt auf der Terrasse stehen und atmet die frische Luft gierig ein. Als sie das zweite Mal an die Tür tritt, hält sie sich den Ärmel ihrer Bluse über den Mund. Der Gestank erinnert sie an einen Sommer auf Norderney. Ihre Eltern hatten ein Ferienhaus, das sie zweimal im Jahr aufsuchten. Unter einem Bett fanden sie eine tote Katze. Sie hatte eine Kopfwunde, und ihr linkes Ohr fehlte. Sie mußte über das Dach in das Haus gekommen sein, um dort in Ruhe zu sterben. Im Haus der Belzens stinkt es, als wären hundert Katzen gestorben.
    Tamara schaltet die Taschenlampe ein. Alles sieht normal aus. Das Sofa steht an seinem Platz, kein Stuhl ist umgeworfen.
    Wenn der Gestank nicht wäre ...
    In der Küche steht ein Glas im Waschbecken. Im Kühlschrank befinden sich Käse, Milch, eine Packung Brot. Definitiv verreist ,denkt Tamara und folgt dem Geruch in das obere Stockwerk. Jemand hat die zwei Zimmertüren mit silbernem Klebeband zugeklebt, als wollte er sichergehen, daß niemand die Zimmer verläßt. Tamara bleibt vor der einen Tür stehen, greift nach der Klinke und drückt sie herunter. Die Tür ist nicht abgeschlossen, es gibt keinen Widerstand vom Schloß. Der einzige Widerstand sind die Klebebänder, die sich mit einem seufzenden Laut dehnen, als Tamara an der Tür zieht.
    Der Gestank wird schlimmer. Tamara legt die Taschenlampe auf den Boden, wendet das Gesicht ab und zieht mit beiden Händen an der Klinke. Es ratscht, es knackt, dann löst sich das Klebeband, und Tamara fällt nach hinten.
    Das Zimmer ist dunkel. Die Jalousien sind heruntergelassen, so daß kein Licht von draußen hereinkommt. Tamara richtet den Lichtstrahl nach vorne. Etwas kommt auf sie zugeflogen, sie schreckt zurück. Fliegen, Unmengen von Fliegen. Sie schlagen gegen das Glas der Taschenlampe. Tamara versucht, den Lichtstrahl ruhig zu halten. Sie kann sehen, daß sie sich in einem Schlafzimmer befindet. Auf dem Bett liegen zwei zugedeckte Gestalten, unter der Decke zuckt und

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