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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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es her? Drei? Oder sind es schon vier? Dir ist bewußt, daß du für eine Menge Verwirrung gesorgt hast, und dann dachtest du doch ernsthaft, du könntest einfach so klammheimlich wieder in deinem Leben verschwinden und die Verbindung kappen? Wahrscheinlich wärst du recht froh, wenn man dich einfach so verschwinden ließe. Vergebung und Ruhe und auf Wiedersehen. Aber so läuft das nun mal nicht. Du kannst keine Geister beschwören und dich dann abwenden, wenn sie plötzlich vor dir stehen. So läuft das einfach nicht.
     
    Sie haben alle Fehler gemacht. Aber wirklich alle. Kleinigkeiten, falsche Schritte, falsche Entscheidungen. Dein Fehler war es, zu denken, daß es vorbei ist. Die Brüder sind dir so nahe gekommen wie nie zuvor. Deine Existenz hat in dieser Zeit eine neue Ebene erreicht. Die Ebene der Freiheit. Es ist dieser exquisite Geschmack der Freiheit, der dich jeden Moment anders empfinden läßt. Die Freiheit, du zu sein. Die Freiheit, zu sein. Du.
    Aber wir wollen nicht vorgreifen. Wir wollen uns deinen Samstag ansehen, bevor er zum Sonntag wird und wir dich wieder in unserem Kreis begrüßen dürfen.
     
    Am Samstag hast du Papiere vorbereitet und Verträge gekündigt. Es war eine Menge Arbeit, aber du hast alles geregelt und angefangen, minutiös die Spuren verschwinden zu lassen. Am Abend bist du in eine Bar gegangen und hast Natascha kennengelernt. Es war dein Abschiedsgeschenk. Du hast sie mit in die Wohnung genommen, ihr hattet Sex, und später habt ihr im Fernsehen einen Film gesehen. Es war ein gutes Finale.
     
    Am Sonntag hast du die Arbeit der letzten Woche nachgeholt und bist in dein Büro gefahren. Gegen acht Uhr abends fiel dir auf, daß du deine Sportsachen vergessen hattest. Du wolltest nach der Arbeit in das neue Fitneßcenter gehen, und jetzt blieb dir nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren. In deiner Wohnung hast du unruhig die Zimmer durchschritten und dich unwohl gefühlt. Abschied ist Abschied. Du warst wie ein Junkie, der einen Tag auf seinen Schuß verzichten muß und sich mit Banalitäten abzulenken versucht. In dem Moment hast du beschlossen, laufen zu gehen. Die Bewegung wird der Unruhe in meinem Körper guttun, hast du gedacht. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn du dich der Trauer hingegeben hättest. Trauer darüber, daß die Gefangenschaft vorbei ist. Ehrlichkeit dir selbst gegenüber hätte dich zu Hause gehalten. In Trauer. Aber so richtig ehrlich bist du nicht. Und niemand kann dir helfen, wenn du dir selbst gegenüber nicht ehrlich bist.
     
    Jetzt ist es spät. Es sind keine Jogger mehr im Park. Es hat etwas Beruhigendes, als einziger durch die Dunkelheit zu laufen. Die Energie kommt zur Ruhe, du bist nur noch Atem und Tempo, dein Kopf fühlt sich klar und frei an. Du erinnerst dich an Frauke. Wie sie manchmal am Wasser des Wannsees entlanglief. In sich ruhend. Du hast sie aus der Entfernung beobachtet, und einmal warst du kurz davor, neben ihr herzulaufen. Stör ich? Doch dann fehlte dir die Courage, und du hast aufgehört, sie beim Laufen zu beobachten.
    Nach der zweiten Runde beschließt du, daß es für heute reicht. Du durchquerst die Unterführung, über dir vibriert der Verkehr auf der Kantstraße. Du läufst bis zum Ende des Parks und willst ihn eben verlassen, als dir der Mann auffällt.
    Er sitzt in sich zusammengesunken auf einer Parkbank, Kinn auf der Brust, Arme im Schoß. Er erinnert dich an deinen Großvater, der überall schlafen konnte und auf diese Weise die Welt verlassen hat – in seinem Stuhl am Fenster, einen Arm auf der Lehne, den anderen auf dem Fensterbrett, als wollte er sich aufrichten und einen letzten Blick hinauswerfen.
    Du bleibst vor ihm stehen. Du bist keiner von den Idioten, diebei jeder Pause wie unruhige Pferde auf der Stelle tänzeln müssen. Es ist dir peinlich, andere Läufer dabei zu beobachten.
    – Alles in Ordnung? fragst du.
    Der alte Mann zuckt, dann hebt er den Kopf. Sechzig, vielleicht siebzig Jahre alt. Ein Gesicht, das alles gesehen hat. Gezeichnet von der Sonne. Der Blick ist müde und überrascht.
    – Was?
    – Sie sind eingeschlafen. Sie sollten nach Hause gehen, es ist Nacht.
    Der Mann sieht sich um. Er ist jetzt nicht mehr überrascht, er ist erschrocken.
    – Wie ... wie spät ist es denn? fragt er und leckt sich die Lippen.
    Du möchtest ihn in deine Obhut nehmen, ihm ein Glas Wasser holen, seine Füße hochlegen. Du schiebst den Ärmel deiner Kapuzenjacke zurück und siehst auf die Uhr.
    – Kurz

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