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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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tun.
    So wurde Wolf zu einem Vertreter des Verzeihens und reiste durch Deutschland. Er mag die Abwechslung und die damit einhergehende Anonymität – Nacht für Nacht ein anderes Hotelzimmer, Tag für Tag eine andere Stadt.
    Die Brüder sind für das Entschuldigen zuständig. Tamara hat es versucht und versagt. Bei ihr wird alles persönlich, und wenn sie ehrlich ist, hält sie auch nicht viel davon, sich für jemanden zu entschuldigen, der ihr unsympathisch ist. Dazu meinte Kris:
    – Du ergreifst keine Partei, du machst deinen Job, nur so funktioniert das.
    Und weil es nur so funktioniert, hat Tamara es gelassen. Auch für Frauke kam das Entschuldigen nicht in Frage. Sie hat sich für den Bürokram entschieden. Zeitplan aufstellen, Aufträge koordinieren, Rechnungen schreiben, solche Dinge. Das ist ihre Welt, während Tamara am Telefon sitzt und für die Anfragen verantwortlich ist. Denn wer sich mit Tamara nicht versteht, der kann der Agentur gestohlen bleiben.
     
    – Wieso hast du mir nichts davon erzählt? will Astrid wissen.
    – Wir wollten nicht, daß andere uns reinquatschen. Wir wollten erst mal unseren eigenen Weg gehen. Wir hatten ja keine Ahnung, was daraus wird.
     
    Die Maschinerie kam ohne ihr Zutun in Gang. Außer der Anzeige in den zwei großen Zeitungen gab es keine Werbung. Frauke meinte, das wäre stillos. Sie erreichten ihr Ziel durch Mundpropaganda. Die Firmen hörten von ihnen und reagierten. Es meldetensich Geschäftsführer, die das schlechte Gewissen plagte; Manager, die in der dritten Person erklärten, welche Probleme sie hatten, und Sekretärinnen, die, vorgeschoben von ihren Chefs, nur mal nachfragen wollten, wie das eigentlich funktioniert.
    Oft sind es ellenlange Telefongespräche mit peinlichen Bekenntnissen, aber natürlich gibt es auch Kunden, die gar nicht reden wollen und ihre Vorstellungen per Post schicken. Sie sind Tamara die liebsten. Sachlich und kühl bitten sie um die Hilfe der Agentur. Tamaras Job ist es, die seriösen von den unseriösen Fällen zu trennen. Von zehn Aufträgen sind meistens drei faule Eier.
    Natürlich gibt es auch Beschwerden. Kunden, die mit der Arbeitsweise der Agentur nicht klarkommen. Sie geht ihnen zu weit, und so hätte sich der Auftraggeber das nun auch nicht vorgestellt. Kris besteht darauf, daß es kein zu weit gibt.
    – Wenn sie nicht wissen, was das heißt, erklärte er Tamara, dann sag ihnen, Vergebung kennt keine Grenzen, das klingt immer gut.
    Viele halten diesen Satz für ein Zitat aus der Bibel. Frauke hat ihn als Motto aufgenommen und ihn in den Briefbogen eingebaut.
    Vergebung kennt keine Grenzen.
     
    Nachahmer gab es für eine Weile auch, aber sie machten der Agentur keine Sorgen. Es geht ja nicht nur um eine Idee, es geht um eine Philosophie. Kris hat sich schnell als ein Meister des Verzeihens entpuppt. Seine Philosophie ist der Motor, der die Agentur vorantreibt.
    – Zwar können die Leute unsere Idee nachahmen, sagte er, aber unser Konzept wird ihnen ein Rätsel bleiben.
    Und sollte jemand fragen, was denn ihr Konzept sei, dann würden sie alle vier geheimnisvoll tun, denn die Wahrheit ist, sie haben keine Ahnung von Konzepten. Kris hat Wolf alles beigebracht – die richtigen Worte, die richtigen Gesten, wann Schweigen notwendig ist, wann Reden. Der Rest ist Erfahrung, deswegen ist es auch kein Wunder, daß die Nachahmer ihre Tore schließen mußten. Sie hatten einfach kein vernünftiges Konzept.
     
    – Wieso seid ihr nicht in Berlin geblieben?
    – Astrid, wir sind hier in Berlin.
    – Wannsee ist nicht mehr Berlin, Tammi, das ist doch Ostzone.
    Astrid schnippt ihre Kippe ins Wasser, als wolle sie ihrer Schwester demonstrieren, was sie vom Wannsee hält. Tamara will sie nicht korrigieren, in Geographie ist Astrid noch nie eine Leuchte gewesen. Stattdessen sagt Tamara:
    – Es wurde uns zu eng. Die Aufträge regneten auf uns herab, und wir saßen noch immer bei Kris in der Wohnung und koordinierten alles von einem Zimmer aus. Eines Abends hatte Wolf dann genug.
     
    – Mir stinkt es, daß wir noch immer bei Kris zu Hause herumhängen, sagte er. Ich meine, Kommune hin oder her, dafür sind wir doch wirklich zu alt. Wir sollten aufhören, uns wie Amateure zu verhalten. Wir verdienen mit jedem Auftrag mehr, als einer von uns in einem halben Jahr verdient hat. Sollten wir mit dem Geld nicht was anfangen?
    Noch im selben Monat fanden sie eine verfallene Villa am Kleinen Wannsee. Tamara hätte nicht geglaubt, daß es so was

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