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SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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spüren ist das beispielsweise auch dann, wenn die heute neunjährige Tochter meines Bekannten im Vorfeld einer politischen Wahl erstmals ganz ernsthaft fragt, warum überall Plakate hängen, wer die Menschen auf diesen Plakaten sind und was die denn machen wollen, wenn sie gewählt werden. Ihr fünfjähriger Bruder bekam übrigens zeitgleich das Ganze im Kindergarten »erklärt« und wurde dort Teil einer Kindergartenpartei, um Demokratie zu lernen. Ich werde noch darauf zurückkommen, was daraus wurde.
    So weit also die Entwicklung im Grundschulalter. Mit etwa zehn Jahren, wenn der Übergang auf die weiterführenden Schulen ansteht, weitet sich das selbstständige Denken des Kindes aus. Häufig entsteht jetzt tiefergehendes und ernsthaftes Interesse an naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Die Vernetzung im Gehirn ist jetzt so weit fortgeschritten, dass ein perspektivisches Denken möglich ist. Das Kind lebt nicht länger nur im Hier und Jetzt, sondern bekommt ein Gespür für Zukünftiges und Vergangenes sowie dafür, dass die Vergangenheit die Gegenwart und die Gegenwart die Zukunft beeinflusst.
    In Bezug auf die Schule heißt das, dass Fächer wie Geschichte oder Geografie zunehmend interessanter werden. Die Vorstellung, dass es Menschen vor uns gegeben hat, die anders gelebt haben, ist dann genauso spannend wie die Erkenntnis, dass es andere Kulturen, andere Länder und Erdteile gibt, in denen sich das Leben ebenfalls zum Teil stark von unserem unterscheidet.
    Im Alter von elf bis zwölf Jahren beginnen sich Freundschaften zu festigen und zu vertiefen. Natürlich hatte das Kind bisher auch schon Freunde, doch erst mit der Entwicklung der Psyche hin zu einem erweiterten sozialen Blick werden aus diesen Freundschaften enge emotionale Bindungen. Nach und nach erweitert sich das Bewusstsein des Kindes für Beziehungen zu anderen Menschen. Je weiter die Entwicklung der emotionalen und sozialen Psyche des Kindes voranschreitet, desto klarer wird der Stellenwert des eigenen Ich in Bezug auf die Menschen um das Kind – und später den Jugendlichen – herum.
    So erkennt der Jugendliche etwa ab einem Alter von vierzehn Jahren ganz deutlich, dass die Menschen in seinem Umfeld Schwachpunkte haben, und auch, welche Schwachpunkte das sind. Es findet eine Art Entzauberung statt, die den langsamen Abschied von der schönsten Phase der Kindheit bedeutet. War die Welt anfangs geordnet und Orientierung durch andere Menschen geboten, so tritt nach und nach die Fehlerhaftigkeit dieser Welt, die Mangelhaftigkeit ihrer Bewohner zutage. Spätestens ab dem Alter von vierzehn bis fünfzehn Jahren ist also bei einer altersgemäßen psychischen Entwicklung klar, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. Es wächst die Erkenntnis, dass der Mensch täglich diversen Einflüssen ausgesetzt ist, die er nur zum Teil steuern kann, mit denen er aber fertigwerden muss.
    Die Eltern fallen übrigens der Entzauberung anheim, wenn ihre Kinder ungefähr fünfzehn Jahre alt sind. Soll heißen: Jetzt erkennen sie auch die Schwachpunkte der Eltern deutlich, es fällt also der wichtigste Schutzbereich. Mit dem Bewusstsein, die Eltern hinterfragen zu müssen, wächst auch das Selbst-Bewusstsein der Kinder. Das mündet ab etwa sechzehn Jahren im letzten ganz großen Entwicklungsschritt: Der junge Mensch hinterfragt sich nun selbst und erkennt, dass auch er Schwachpunkte besitzt. Dazu kommt dann das perspektivische Denken. Anders gesagt: Wie möchte ich leben, was soll die Zukunft für mich bringen? Diese Art zu denken ist wichtig für die Eigenverantwortung, genauso aber auch für die Verantwortung gegenüber anderen. Sie ist wichtig für gesellschaftliche Veränderungen, denn nur wer fähig ist, andere Menschen anzuerkennen, wird sich auch für diese einsetzen.
    Es ist also erst ab diesem Zeitpunkt tatsächlich ein zukunftsgerichtetes Denken möglich. Der schöne alte Spruch »Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir« kann, so wahr er ist, erst jetzt wirklich in der Psyche ankommen. Die Jugendlichen können ihn nun umsetzen und danach leben. Ab diesem Zeitpunkt denkt ein Jugendlicher zielgerichtet darüber nach, was er werden will und wie er später leben möchte. Eine Tatsache, die für meine weiteren Ausführungen und meine Kritik am herrschenden Kindergarten- und Schulsystem von großer Bedeutung ist.
    Was uns dieser Überblick sagen will. Eine Überleitung
    In den folgenden Kapiteln werde ich immer wieder Bezug auf die bisherigen

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