Soul Kitchen
waren. Jadwiga, die Haushälterin, weigerte sich, mit Kathinka allein im Haus zu sein, da hatte Kathinka sie gefeuert. Überall lagen Klamotten herum, sogar auf der Treppe. Leere Teller, Zeitschriften, Verpackungen aller Art waren überall verteilt. Es roch nicht besonders gut. Kathinka zog ihr Obsession aus der Handtasche und drehte sich wild sprühend einmal im Kreis.
»Kommen Sie rein, dann können Sie rausgucken!«
Sie warf sich auf die Couch, richtete sich sofort wieder auf, schüttete Koks auf den Glastisch, machte sich zwei dicke Lines fertig und zog sie. Das Nasenbluten fing wieder an. Zinos stand in der Tür.
»Kathinka – meinst du nicht, du hast genug?«
»Ich mach nur noch den Rest weg, das dritte Gramm bewahr ich auf fürs nächste Wochenende. Wir trinken noch was zum Runterkommen, ich mach uns Wodka mit Bananensaft, das funktioniert immer ganz gut. Oder hast du was zu kiffen? Ich hab sonst auch Schlaftabletten.«
Sie sprang auf und machte Heroin von Velvet Underground an.
»Kein Lied bringt Liebe besser auf den Punkt!«, sagte sie und zog noch ’ne Line Koks.
Zinos wollte gehen, aber Kathinkas Nasenbluten wurde immer schlimmer; außerdem bekam sie Panik, weil ihr Herz so schnell schlug. Er holte ihr einen kalten Lappen und massierte ihr den Nacken. Als es ihr etwas besser ging, exte sie zwei Wodka Banane und schluckte eine Schlaftablette. Sie zog sich aus bis auf einen goldenen Stringtanga und legte sich auf die Couch.
»Wann kommen deine Eltern zurück?«, fragte Zinos, nahm einen Schluck Wodka Banane und setzte sich neben sie.
»Ach, das kann dauern.«
»Belastet dich das?«
»Ich bin erwachsen. Wenn ich will, kann ich ihnen nachreisen. Will ich aber nicht.«
»Geht mir genauso«, sagte Zinos.
»Können wir morgen drüber reden, mir geht’s nicht so gut, ich nehm jetzt noch eine Tablette.«
Kurz nachdem sie die zweite Tablette genommen hatte, fragte sie:
»Machen wir morgen einen Neujahrsspaziergang?«
Dann schlief sie ein.
Zinos trug sie nach oben ins Bett. Er legte sich aufs Sofa, ohne zu wissen, warum er blieb.
Am nächsten Morgen wachte er auf, weil sehr laut Masquerade von Sergio Mendes lief. Kathinka stand munter vorm Sofa, sie trug einen Jogginganzug und hatte rosige Wangen. In der einen Hand hielt sie einen Sprühreiniger, in der anderen einen Lappen. Zinos richtete sich mühsam auf, sein Kopf schmerzte, er hatte ein Piepen im Ohr, und schlecht war ihm auch, dazu stieg ihm Sodbrennen die Kehle hoch.
»Einen guten Morgen. am ersten Tag Ihres ganz persönlichen neuen Jahrtausends!«, sagte Kathinka im Ton einer Stewardess und sprühte zweimal mit dem Reiniger in die Luft– und einmal auf Zinos’ Hose. Zinos hatte in seinen Klamotten geschlafen. Ihm war jetzt so schlecht, dass er befürchtete, sofort kotzen zu müssen, wenn er versuchen würde zu sprechen.
»Ich lasse dir gleich ein Bad ein, und hier ist dein Frühstück.«
Auf dem Glastisch waren keine Spuren mehr von der letzten Nacht, stattdessen ein Teller mit Rührei und Schwarzbrot, ein Becher Kaffee, eine Tasse schwarzer Tee, eine Tasse grüner Tee und ein Glas frisch gepresster Obstsaft.
»Ich wusste ja nicht, was du magst. Ich wäre doch ’ne Frau zum Heiraten – oder siehst du das anders?«
»Hä, was? Danke, danke auf jeden Fall. Ich mag alles«, sagte er und musste würgen.
»Krieg ich jetzt zehn Punkte?«
»Zehn Punkte?«
»Zehn Punkte von zehn möglichen?«
»Du kriegst fünfzehn, aber ich glaub, ich muss trotzdem kotzen.«
Sie zeigte ihm das Gästeklo.
Alles, was er vom Haus sah, war nun aufgeräumt und geputzt.
»Wie spät ist es?«, fragte er, nachdem er sich übergeben hatte.
»Gleich drei, iss was, wasch dich, und dann gehen wir ein bisschen raus, okay?«
Er aß ein bisschen von dem Rührei, aber ihm wurde gleich wieder schlecht, er trank den Saft und den kalten Kaffee. Kathinka hatte ihm ein Bad eingelassen. Das Wasser war heiß und grün, es roch nach Eukalyptus. Er legte sich hinein, schloss die Augen und hätte gern von den Wäldern auf M. geträumt, aber es ging nicht. Immerhin half der Geruch, die Übelkeit zu überwinden.
Sie spazierten runter zur Alster, an den Familien vorbei, schauten Schwänen auf dem Wasser zu, tranken Kaffee in einem Lädchen, in dem sonst nur alte Damen und Paare saßen. Hinter einer meterlangen Glasvitrine voll mit bunten Torten liefen eifrig ein paar Damen jeden Alters hin und her, benannten laut jedes Stück Torte, das sie servierten, und gaben immer die
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