Soul Kitchen
ganzes Haus putzt.«
»Wer sagt denn, dass ich nüchtern war. Kommst du wieder mit zu mir?«, sie streichelte ihm über die Wange, sie hatte Tränen in den Augen. Zinos sah zum ersten Mal, dass sie schön war. Draußen dämmerte es. Er nickte. Sie gingen langsam zurück.
Die Küche war noch größer als die in Paveses Pizza-Palast, es sah nicht aus, als ob dort gekocht würde. Kathinka öffnete einen Schrank, holte eine Flasche Olivenöl raus, dann Tüten mit Sonnenblumenkernen, Haselnüssen, ein paar kleine Kartoffeln, dunkles Knäckebrot, Haferflocken und eine Tafel Schokolade und breitete alles auf der Arbeitsfläche aus. Aus dem Kühlschrank holte sie eine Schale mit Obst und Gemüse, eine Tüte Tiefkühlerbsen, eine mit Blaubeeren, Milch, Eier und Käse.
Sie zerbrach das Knäckebrot und warf es in den Mixer, schüttete Haferflocken, Sonnenblumenkerne, Haselnüsse dazu, kippte Tiefkühlerbsen drauf, Weintrauben, tiefgekühlte Blaubeeren, dann schnitt sie zwei Äpfel mit Schale hinein.
»Die Schale ist das Beste, das ist immer so, auch bei Gurken, mit allem, nur Idioten schälen.«
»Was ist mit Kiwis, Orangen oder Mangos und so weiter und sofort?«, fragte Zinos.
Sie legte den Kopf schief:
»So etwas esse ich nicht, ich esse nur Lebensmittel, deren Schale man mitessen kann.«
Sie würfelte die Gurke, die Kartoffeln, zerdrückte Tomaten, goss das Ganze mit Olivenöl auf, schnitt eine Scheibe Käse ab, schlug ein Ei auf, goss Milch in den Mixer und platzierte ganz oben ein Stück Schokolade.
» I like to introduce: Miss Nahrungspyramide. Ich habe heute Morgen schon eine gegessen, deshalb geht es mir so gut. Und die hier mach ich für dich.«
»Kathinka, vielen Dank, aber ich werde das nicht ...«
Sie hatte den Deckel bereits zugemacht und den Startknopf gedrückt. Der Mixer legte in schrammeligen Stößen los; immer wieder versuchten seine Scheren eine ganze Umdrehung, und dann hatte er es endlich geschafft, er mixte die Nahrungspyramide zu einem Brei, dessen Farbe Zinos nicht benennen konnte. Kathinka schaltete das Gerät ab und steckte ihren Finger tief hinein.
Kathinka besorgte Zinos einen Job im Hotel Capital, das ihrem Onkel Guido gehörte. Zinos arbeitete in der Küche, aber nicht als Koch. Die Hauptaufgabe der Küche dieses Hotels, das vor allem Geschäftsleute nutzten, bestand darin, Büffets aufzubauen, Frühstücksbüffets, Mittagsbüffets, Tagungsbüffets. Nichts, was auf den Büffets liegen blieb, wurde weggeschmissen. Die Ananasstückchen, die es zum Frühstück im Obstsalat gab, kamen abends in den Hawaiisalat, nachts schabte Zinos die Mayonnaise ab und warf sie in die Süßsauer-Soße, die am nächsten Mittag zum Hühnchen serviert wurde. Das, was vom Huhn übrig blieb, gab es in den nächsten Tagen als Brühe mit Geflügelklößchen, Frikassee, Salat, Schnitzel. Die Nordseekrabben des Sonntagbüffets fanden sich im Krabbencocktail wieder. Wenn Onkel Guido die abgelaufenen Fertigschnitzel von ihrer Panade befreite und zu Capital-Curry-Spezial verarbeitete, fanden dort auch die Ananas und die Mandarinen aus dem Waldorfsalat eine neue Bestimmung. Die Gäste des Hotel Capital aßen alles und beschwerten sich nie – was Zinos am meisten anwiderte.
Er verdiente deutlich mehr als die Pakistanis in der Küche und die asiatischen Zimmermädchen, von denen Onkel Guido eine geheiratet hatte. Als einziger von den Neuen wurde er sofort krankenversichert.
Kathinka hatte ihm den Job verschafft, obwohl er am ersten Januar doch noch nach Hause gegangen war. Er hatte sie einfach in der Küche stehen gelassen. Ein paar Tage später verabredeten sie sich. Von da an sahen sie sich regelmäßig.
Sie gingen essen, spazieren oder guckten Videos. Kathinka rauchte ab und zu einen Joint, aber sonst schien sie clean zu sein. Irgendwann zeigte Zinos ihr die geheimen Eingänge ins Ufa-Kino; sie sahen sich fast jeden Abend einen Film an. Und an einem dieser Abende wurden sie ein Paar. Zinos hatte außer mit seiner Familie noch nie mit jemandem so viel Zeit verbracht. Er mochte ihr Aussehen immer mehr, ihren Geruch, den Klang ihrer Stimme, egal, was sie ihm erzählte, und sie gab ihm noch immer das Gefühl, sie würde jederzeit aus seinem Leben verschwinden, wenn er das wollte. Deshalb wollte er es nicht. Die meiste Zeit verbrachten sie in Zinos’ Wohnung. Kathinka massierte seinen Rücken und blies ihm einen, wann immer er wollte. Einmal hörte man aus einer Wohnung auf der anderen Seite des Hofes Under the
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