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Soul Kitchen

Soul Kitchen

Titel: Soul Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Hähnchenbrust in Parmaschinken, Chicken Madras, Chicken Tikka, Frikassee, Stubenküken, Hühnerfüße, Hahnenkämme. Als Nächstes nahm sie sich Fisch vor. Beim Fleisch kam jedes Tier dran; sie begann mit Schwein, Lamm, Rind, dann folgte Wild, und sie vernachlässigte auch nicht die Innereien. So verging fast ein Jahr, in dem Zinos im Hotel Capital eine Menge Geld verdiente und Kathinka in der kleinen Wohnung zu einer großen Köchin wurde. Einmal hatte sie ein paar Freunde eingeladen. Sie hatte Zinos nichts davon gesagt. Als er erschöpft nach Hause kam, saßen zwei Paare an einem Tisch, den sie von einer Nachbarin geliehen hatte. Der große Tisch füllte fast den ganzen Raum aus, und Kathinka servierte ein Vier-Gänge-Menü. Kaum hatte man aufgegessen, flüsterte sie Zinos ins Ohr, er solle dafür sorgen, dass alle verschwänden, und schloss sich im Klo ein, bis er ihrer Aufforderung gefolgt war.
    Sie verließ das Haus bald nur noch, um einkaufen zu gehen, und verbrachte immer mehr Zeit auf dem Dach, um zu kiffen. Zinos machte sich darüber keine Gedanken, obwohl sie sogar aufs Dach ging, wenn das Essen auf dem Herd stand, manchmal während des Essens und danach, und auch wenn Zinos schon ins Bett gegangen war. Und manchmal blieb sie dort auch, sogar wenn es kalt war, bis zum Morgen.
    Zinos redete sich ein, das Kiffen brächte sie wenigstens dazu, mehr zu essen. Doch bald bemerkte er, dass sie immer dünner wurde. Dass sie ihn so gut ernährte, führte dazu, dass Zinos so etwas empfand wie Liebe. Ein paar Wochen wollte sie nicht mit ihm schlafen, stattdessen massierte sie ihn so lange und hart, dass er blaue Flecken bekam. Dann wollte sie plötzlich täglich mit ihm schlafen, manchmal drei- oder viermal an einem Tag. Als sie dabei immer aggressiver wurde, wurde es ihm zu viel. Sie bestand darauf, ihm trotzdem einen zu blasen, und dann durfte er sie wieder wochenlang nicht anfassen und nicht mal mehr nackt sehen. Er fragte sich, warum er mit ihr zusammenlebte. Vielleicht weil sie nie stritten. Sie nahm alles hin. Bald hoffte er, sie würde einfach so verschwinden, wie beim letzten Mal. Diesmal würde er sie nicht suchen. Er war sicher, dass es bald so weit war. Kathinka sprach auch nicht mehr von Liebe; sie erwartete schon lange nichts mehr, außer, dass Zinos jeden Abend ihr Essen aufaß.
    Eine Weile kehrte wieder eine gewisse Ruhe ein. Er aß, ging ins Bett, sie verschwand aufs Dach. Er wachte auf, sie lag nicht neben ihm, er schlief wieder ein. Und morgens lag sie schlafend neben ihm. In einer Nacht klammerte sie sich plötzlich an seinen Körper und redete vor sich hin. Er nahm an, sie würde im Schlaf reden, aber dann schüttelte sie ihn, sah ihm in die Augen und sagte, er solle sich keine Sorgen machen, sie kläre das mit den Leuten gerade.
    Nach dieser Nacht kam sie gar nicht mehr ins Bett, er wusste nicht, ob sie überhaupt noch schlief. Zinos stieg selbst nachts aufs Dach. Sie war nicht da. Er versuchte sie auf ihrem Handy zu erreichen, es lag in der Dachrinne. Vorsichtig hob er es auf und sah nach unten auf die Straße. Nach einer Stunde kam sie nach Hause, es war sechs Uhr morgens. Ihre Haare waren zerzaust, und sie strahlte Zinos an, als sei nichts gewesen:
    »Hallo, Schatz, du hast gewartet, das ist süß von dir.«
    Ihr Tonfall war merkwürdig, beinahe wie der eines Kindes, und sie hatte ihn noch nie Schatz genannt.
    »Wo warst du?«
    »Spazieren, ich bin die Straße rauf und runter und vor und zurück. Ich musste einfach mal an die frische Luft.«
    »Aber, warum hast du dein Handy nicht mitgenommen?«
    Sie schaute ihn plötzlich böse an, so böse hatte er sie noch nie gesehen.
    »Weißt du nicht, was da drin ist?«
    »Wie – was soll da drin sein?«
    »Soll ich’s dir zeigen?«
    Sie holte ihr Handy, drückte wild darauf herum und hielt es Zinos direkt vors Gesicht.
    »So nah kann ich nichts sehen.«
    Er zog ihre Hand zurück. Das Display war voll mit Nummern und Semikolons.
    »Siehst du!«, rief sie triumphierend.
    »Nein, ich sehe nichts, hör auf, mich zu verarschen, ich muss in einer halben Stunde aufstehen.«
    Zinos legte sich hin und schloss die Augen. Kathinka räumte die Wohnung auf, wie Zinos glaubte. Aber als er sich im Halbschlaf wunderte, weil sein Wecker nicht anging, richtete er sich auf und sah, dass alle elektrischen Geräte zusammen in der Mitte des Raumes standen, die Stehlampe, der Radiowecker, der neue Ghettoblaster, der Fernseher, ihr Mixer, ihr Pürierstab, ihr Fön, die

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