Soul Kitchen
Nachttischlampe, der Staubsauger, der Toaster. Die Kabel hatte sie alle miteinander verknotet. Dann war sie aufs Dach gegangen. Auch Zinos ging nach oben. Es regnete.
»Bist du jetzt Künstlerin, oder was?«
Kathinka hatte nur ihre Unterwäsche an und saß aufrecht im Schneidersitz mitten auf dem Dach.
»Kathinka?!«
»Mir ist überhaupt nicht kalt!«, sagte sie fröhlich.
»Ich muss jetzt arbeiten, bis später – und leg dich mal hin.«
Als Zinos nach Hause kam, stand sie angezogen am Herd, das Ensemble elektrischer Geräte vom Morgen war verschwunden. Alles stand wieder an seinem Platz.
»Hallo, Schatz!«, rief sie beschwingt und rührte etwas zu schnell in einem der Töpfe.
Zinos ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Es roch seltsam.
»Was gibt es denn?«
»Fisch und Spaghetti alla mamma!«
»Hört sich gut an, aber es riecht angebrannt, findest du nicht?«
»Nein, du? Nein, du? Nein, du?«, wiederholte sie affektiert und brach dann in schallendes Gelächter aus.
Auf die Teller kamen Spaghetti mit Bananenstückchen, von der Panade befreite Fischstäbchen und eine Blue-Curacao-Zitronen-Soße. Zinos aß nichts davon und sah Kathinka zu, wie sie selber darin rumstocherte.
»Kathinka – was soll das Theater?«
»Alla mamma! Siehst du, mecker-mecker-mecker!«, sagte sie mit verstellter Stimme. Dann sprach sie ganz normal:
»Ich habe das als Kind für meine Mutter gekocht, zusammen mit meiner Freundin Annemarie. Meine Mutter sagte immer, man müsse Fisch essen, das sei gut fürs Herz, und sie hat so gern Blue Curacao getrunken; sie hat immer gesagt, das sei gar kein richtiger Alkohol, deshalb durfte ich auch was davon haben und von dem Amaretto, der war so schön süß. Zitrone zum Fisch spaltet das Eiweiß, Bananen und Nudeln sind gut für die Nerven – voilá!, hat sie gesagt. Und als Annemarie und ich das für sie gekocht haben, ist die Küche ein bisschen kaputt gegangen, und da hat sie uns verprügelt, auch Annemarie hat sie richtig verdroschen, die hat mehr geblutet als ich. Die hat einen ziemlich großen Schreck gekriegt, denn die kannte das ja noch nicht. Die durfte danach natürlich nicht mehr vorbeikommen, und alle anderen Kinder auch nicht, es hat sich schnell rumgesprochen. Klar, die langweilen sich alle, die brauchen was zu reden, ich will nicht wissen, was bei denen los ist, wenn die Gardinen zu sind – hat meine Mutter gesagt, und mein Vater hat ihr zugestimmt.«
Sie lachte.
»Die Eltern haben meine Mutter nicht verklagt, weil mein Vater der Chef von Annemaries Vater war. Und dann gab es noch ein Gehalt extra. Davon haben sie Annemarie ein Barbiehaus gekauft. Also hatten doch alle was davon. voilà. Und ich hatte heute plötzlich Lust, das mal wieder zu kochen, ich wollte wissen, ob du auch sauer wirst!«
Zinos stand auf und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie war ganz starr. Als sie ihn wegstieß, sagte er:
»Willst du nicht zum Arzt gehen? Ich hab das Gefühl, es geht dir nicht so gut.«
»Was? Mir geht es total gut! Kommst du mit aufs Dach?«
Er ging mit, sie rauchte ein paar Joints und sagte kein Wort mehr.
»Willst du nicht schlafen gehen – oder dich zumindest mal hinlegen? Du hast dich schon seit Tagen nicht mehr ins Bett gelegt.«
»Da sind überall so Sachen im Bett, so kleine pieksende Dinger. Krümel!«
»Krümel? Da sind keine Krümel im Bett.«
»Wenn du mich liebst, machst du die Krümel aus dem Bett!«
Noch nie hatte sie in so einem aggressiven Ton mit ihm gesprochen.
Zinos ging runter in die Wohnung, er sah sich das Bett an, keine Krümel, nichts, er bezog es trotzdem neu. Er merkte, dass er zitterte. Er glättete jede Stelle des Lakens mehrmals. Sie stand später vor dem frisch gemachten Bett und sagte:
»Da, da überall sind diese kleinen Piekser, die Krümel. Zinos, du musst mal genau hingucken, genau!«
Sie strich übers Bett und rief:
»Die kommen immer wieder, die kleinen Biester, du kannst machen, was du willst, ich leg mich nicht zu den Pieksern, den kleinen Drecksstücken, die waren schon unter meiner Haut. Ich hab sie alle totgedrückt, und jetzt ist Schluss.«
Sie knallte die Tür hinter sich zu. Zinos war erleichtert, allein im Bett zu liegen. Ein paar Stunden konnte er sogar schlafen.
Als er am nächsten Tag nach der Arbeit nach Hause kam, sah es von weitem so aus, als hätte jemand eine Hüpfburg für Kinder in der Straße aufgebaut. Er dachte kurz an ein Straßenfest, doch dann entdeckte er die Feuerwehr und Polizeiautos und eine
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