Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
Blick nur stumm erwidern, weil ich die Kiefer bereits fest zusammenpresste, um den Gesang für meine Cousine zurückzudrängen. „Schon wieder?“, fragte er, und als ich nickte, zog er mich an sich und flüsterte mir leise ins Ohr. Seine Bartstoppeln kratzten an meiner Wange, doch ich konnte mich nicht auf seine Worte konzentrieren.
„Kay?“ Jetzt hatte auch mein Vater begriffen, was los war, und ein Ausdruck nackten Entsetzens glitt über sein Gesicht, als er mir in die Augen sah. Wie in Zeitlupe drehte er sich um und folgte meinem Blick, so als hätte er Angst vor dem, was ihn erwartete. „Sophie?“, fragte er ungläubig, und ich nickte. Ein scharfer Schmerz schoss durch meine Schläfen, als ich die Zähne noch fester zusammenbiss. „Wie lange noch?“
Ich schüttelte den Kopf, weil ich keine Ahnung hatte, ob ich mit meiner Fähigkeit auch die verbleibende Zeit angeben konnte. Und wenn ja, wusste ich erst recht nicht wie.
„Brendon!“, rief mein Vater, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Sophie zuckte zusammen und trat dann näher, um mich genauer in Augenschein zu nehmen. Ihre dunkel überschattete Stirn war gerunzelt.
Nash flüsterte mir immer noch leise Worte ins Ohr und hielt mich ganz fest im Arm. Mit den Lippen berührte er sanft mein Ohr, und die tröstenden Worte halfen mir dabei, die Panik in Schach zu halten. Ich atmete tief ein und aus und versuchte, den Schrei zu bändigen, während ich über seine Schulter auf meine seltsam dunkel aussehende Cousine starrte.
„Was ist hier los?“, fragte Sophie und umklammerte die Lehne eines Stuhls. „Sie flippt schon wieder aus, oder?“ Sie warf einen kurzen Blick in meine Richtung. „Mom hat die Nummer von diesem Irrenarzt irgendwo hier hingelegt.“ Sie kam auf mich zu, doch mein Vater streckte den Arm aus und hielt sie zurück.
„Sophie, nicht!“ Er warf einen Blick über die Schulter und rief so laut er konnte: „Brendon! Komm sofort her!“ Dannwandte er sich wieder an seine Nichte. „Mit Kaylee ist alles in Ordnung.“
„Nein, das ist es ganz und gar nicht.“ Sophie schüttelte den Kopf und befreite sich aus seinem Griff. Ihre grünen Augen waren weit aufgerissen, und die Sorge, die ich darin las, war echt. Sie hatte tatsächlich Angst um mich … vielleicht auch vor mir. „Ich weiß, dass du dir Sorgen um sie machst, aber sie braucht wirklich Hilfe, Onkel Aiden. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr! Ich habe sie gewarnt, dass es wieder passieren würde, aber auf mich hört ja keiner! Sie hätten ihr doch die Elektroschocktherapie verpassen sollen.“
„Sophie …“ Mein Dad spannte die Schultermuskeln an, und auf seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Angst und Wut. Er wollte gerade alles richtigstellen.
Nash kam ihm zuvor. „Verdammt noch mal, Sophie! Kaylee versucht nur, dir zu helfen, und du …“ Drohend machte er einen Schritt auf sie zu, und in seinen Augen wirbelte es zornig. Doch kaum hatte er sich einen Schritt von mir entfernt, brach die Panik wieder mit aller Macht über mich herein. Ich zog ihn am Arm. Als Nash begriff, was los war, fuhr er mit der Suggestion fort, als hätte er nie aufgehört.
Das Poltern dumpfer Schritte drang aus dem Flur, und Onkel Brendon kam ins Wohnzimmer gerannt. Als er uns sah, blieb er mitten im Raum stehen. Er schaute von mir zu meinem Vater und folgte unseren Blicken zu Sophie. Ihm entgleisten die Gesichtszüge. Seinen quälenden Schmerz zu sehen war mehr, als ich ertragen konnte.
Ein paar Sekunden lang rührte sich niemand, vielleicht aus Angst, dass schon das kleinste Zucken den Reaper aus dem Versteck locken könnte. Sophie sah völlig verwirrt von einem zum anderen. Nach einer Weile seufzte mein Vater, und der sanfte Laut schien jeden Winkel des offenen Wohnbereichs auszufüllen. „Geht es dir gut?“, fragte er mich, und ich nickte zittrig. Ich war ja nicht diejenige, deren Tod kurz bevorstand. Zumindest noch nicht.
„Was ist hier los?“, fragte Sophie fordernd, und die Frage zerriss die Stille wie ein Schuss bei einer Beerdigung. Niemand antwortete. Obwohl Sophie der Grund für all die Aufregung war, beachtete sie niemand. Dieses eine Mal waren alle Blicke allein auf mich gerichtet.
„Ist es Sophie?“, fragte Onkel Brendon und kam langsam auf mich zu, so als würde ihm jeder Schritt Schmerzen bereiten. Ich konnte ihn kaum verstehen, weil der unterdrückte Schrei so laut in mir tobte, nickte aber. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. „Bist du
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