Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
gefangen. „Ich hielt dich wie ein Baby in den Armen, und du hast mich einfach nur angesehen. Dann ist deine Mom aus dem Auto gekrochen und hat deine gesunde Hand genommen. Sie hat geweint und kein Wort herausgebracht. Aber die Wahrheit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich wusste, dass wir dich verlieren würden.“
Er schniefte. Ich blieb ganz still, weil ich fürchtete, dass er sonst nicht weitererzählen würde. Wobei ich auch Angst davor hatte, dass er weitersprach. „Du bist gestorben, genau da, neben der Straße, mit Schneeflocken im Haar.“
„Warum bin ich dann immer noch hier?“, flüsterte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. „Meine Zeit war gekommen, stimmt’s?“ Ich drehte den Hahn auf, hielt die Hände unters Wasser und begann, mir den Käse von den Fingern zu schrubben. Dabei ließ ich meinen Vater nicht aus den Augen. „Ich sollte sterben, und du hast mich zurückgeholt.“
„Ja!“ Ihm versagte die Stimme, und er wurde ganz rot, offenbar vor Anstrengung, weil er nicht weinen wollte. „Wir konnten es nicht ertragen! Deine Mom hat für dich gesungen, und es war das schönste Lied, das ich je gehört hatte. Ich habe kaum etwas sehen können, weil ich so sehr geweint habe. Aber dann habe ich dich gesehen. Deine Seele! So klein und weiß in der Dunkelheit. Es war einfach zu früh! Ich konnte dich nicht gehen lassen.“
Ich stellte das Wasser ab und trocknete mir die Hände an einem Handtuch ab, das ich aus der Schublade geholt hatte. Wasser tropfte auf den Fußboden. Ich lehnte mich über den Tisch und sah meinen Vater beschwörend an. „Sag mir, wie es passiert ist!“
Diesmal zögerte er keine Sekunde. „Ich sah deiner Mutter in die Augen, um sicherzugehen, dass sie begriff, was ich vorhatte. Ich bat sie, sich gut um dich zu kümmern. Gab ihr zu verstehen, dass ich dich zurückbringen würde. Sie weinte, doch sie nickteund sang weiter ihr Lied. Also habe ich deine Seele zurück in deinen kleinen Körper geführt, bis du die Augen aufgeschlagen hast. Und dann, mit deinem ersten Atemzug, fingst du an zu singen.“
„Ich habe … gesungen?“ Das Handtuch fiel mir aus der Hand und segelte geräuschlos zu Boden, doch ich bekam es kaum mit.
„Für eine Seele.“ Dad presste sich die Handballen fest auf die Augen, so als könnte er damit die Tränen zurückhalten. Doch als er mich ansah, war sein Gesicht immer noch feucht. „Ich dachte, du singst für mich. Du brauchtest deine Mutter mehr als mich, und ich war bereit zu gehen. Doch als ich dastand und dich in den Armen hielt, sah ich den Reaper!“
„Er hat sich Ihnen gezeigt?“, warf Nash ein. Ich hatte fast vergessen, dass er auch da war.
Mein Vater nickte. „Er stand im Gras neben der Straße und warf mir dieses unheimliche kleine Grinsen zu, als wüsste er genau, was ich dachte. Ich sagte ihm, dass ich bereit sei zu gehen und legte dich in die Arme deiner Mutter. Du hast immer noch dieses wunderschöne, hell klingende Lied gesungen wie ein Vogel. Ich verspürte einen tiefen Frieden, weil ich dachte, dass es das Letzte wäre, was ich hören würde: wie du für meine Seele singst.“ Er machte eine kurze Pause, und diesmal weinte er ganz offen. „Aber ich hätte es besser wissen müssen, denn deine Mutter hat nicht mitgesungen.“
Ich betrachtete meinen Vater wie hypnotisiert, dachte nicht mehr im Entferntesten an das Abendessen.
„Dieser Bastard hat mich verschont und stattdessen sie geholt!“ Voller Wut ließ er die Faust auf den Tresen niedersausen, und seine Kiefer traten deutlich hervor. „Er hat Darby nur angesehen, und sie ist zusammengebrochen. Ich musste dich auffangen, sonst wärst du auf den Boden gefallen.“
„Kaylee, atme!“, sagte Nash und strich mir den Rücken entlang. Irgendwann hatte ich angefangen, die Luft anzuhalten, und es nicht einmal bemerkt, bis Nash mich jetzt darauf hinwies.
„Sie ist für mich gestorben?“ Ich ballte so fest die Fäuste, dass mir die Fingernägel ins Fleisch schnitten.
„Nein, Baby. Nein!“ Dad lehnte sich vor und sah mir fest in die Augen. „Sie ist wegen mir gestorben!“ Er nahm meine Hände und ließ sie auch nicht mehr los, als ich halbherzig daran zog. „Weil ich darauf bestanden habe, dass wir fahren. Weil ich dem Reh ausgewichen bin. Weil ich nicht stark genug gewesen bin, ihn dazu zu bringen, mich zu nehmen. Nichts von alldem war deine Schuld!“
Egal was er sagte: Ich fühlte mich schrecklich! Ich hätte sterben sollen. Und weil ich nicht
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