Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
würde es nichts ändern. Es würde dem Armen höchstens seine letzten Minuten verderben.“ Als ich widersprechen wollte, sprach er schnell weiter: „Das versuche ich dir ja die ganze Zeit zu sagen, Kaylee. Du kannst den Tod nicht aufhalten!“
„Aber das hast du doch gerade behauptet!“ Ich funkelte ihn zornig an. „Gemeinsam hätten wir Meredith retten können. Vielleicht sogar Heidi Anderson! Macht es dir gar nichts aus, dass wir es nicht einmal versucht haben?“
„Doch, natürlich! Aber selbst wenn wir Meredith gerettet hätten – wir hätten ihren Tod nicht verhindert, sondern lediglich ihr Leben verlängert. Es hat schwerwiegende Folgen, jemanden wieder zum Leben zu erwecken, dessen Zeit gekommen ist. Und glaub mir, der Preis ist zu hoch!“
„Was bedeutet das?“ Wie hoch konnte der Preis für ein Menschenleben schon sein?
Nashs Blick bohrte sich in meine Augen, als wolle er die Wichtigkeit dessen untermauern, was er gleich sagen würde. „Ein Leben gegen ein anderes, Kaylee. Wenn wir Meredith gerettet hätten, wäre jemand anderes gestorben. Einer von uns oder jemand anderes, der in der Nähe gewesen ist.“
Oh nein.
Ich ließ mich auf die Gummimatte am Ende der Rutsche plumpsen und schloss schockiert die Augen. Das war tatsächlich ein hoher Preis! Und selbst wenn ich bereit gewesen wäre, ihn zu zahlen, durfte ich diese Entscheidung nicht für einen unschuldigen Zuschauer treffen. Oder für Nash. Und trotzdem konnte ich das Thema nicht einfach ruhen lassen. Egal, was ersagte oder wie logisch alles klang, es fühlte sich falsch an, Meredith sterben zu lassen, und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, so etwas wieder tun zu müssen!
Nash setzte sich neben mich und stützte seufzend die Arme auf die Knie. „Kaylee, ich weiß, wie du dich fühlst, aber so läuft es nun mal. Wenn die Zeit für jemanden gekommen ist, muss er gehen. Und du machst dich nur verrückt, wenn du nach einem Ausweg suchst. Glaub mir.“ In seiner Stimme lag so viel Schmerz, dass ich Nash am liebsten umarmt hätte, um ihn davon zu befreien.
„Du hast es schon mal versucht, oder?“, flüsterte ich. Als er nickte, beugte ich mich zu ihm und küsste ihn sanft. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen und getröstet. „Wer war es?“
„Mein Dad.“
Überrascht rückte ich ein Stück von ihm ab und betrachtete sein Gesicht. Seine Miene war schmerzerfüllt, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief. „Was ist passiert?“
Nash atmete langsam aus und lehnte sich an die Seitenwand der Rutsche. Dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, so als wolle er die Erinnerung vertreiben. „Er ist von der Leiter gefallen. Er hatte die Fensterläden im zweiten Stock gestrichen und ist mit dem Kopf auf den Steinen aufgeschlagen, die das Blumenbeet meiner Mutter einfassen. Sie war gerade dabei, ein paar Büsche zu beschneiden, als er gestürzt ist. Sie hat alles mit angesehen.“
„Und wo bist du gewesen?“, fragte ich sanft, damit meine Stimme ihn nicht aus der Erinnerung riss und er weitererzählte.
„Im Hinterhof. Ich bin sofort losgerannt, als ich sie schreien gehört habe. Als ich angekommen bin, hat sie seinen Kopf im Schoß gehalten und geweint. Ihre Beine waren voller Blut! Dann hat mein Dad aufgehört zu atmen, und sie hat zu singen begonnen.“
„Es war wirklich wunderschön, Kaylee“, sagte er eindringlich, wie um mich zu überzeugen. „Schaurig und traurig zugleich.Und dann habe ich seine Seele über den beiden schweben gesehen. Ich habe versucht, sie zu lenken. Ich wusste nicht, was ich tat, aber ich wollte ihn retten! Doch Dad hat es verhindert. Seine Seele … Ich konnte sie hören. Er sagte, er müsse gehen. Und dass ich auf meine Mom aufpassen sollte. Dass sie mich braucht. Und er hatte recht. Sie hat sich schuldig gefühlt, weil sie ihn gebeten hatte, die Fensterläden zu streichen. Seitdem ist sie nicht mehr dieselbe.“
Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte. Erst als meine Lungen anfingen, zu brennen. „Wie alt warst du damals?“, fragte ich, nachdem ich tief eingeatmet hatte.
„Zehn.“ Nash schloss die Augen. „Die Seele meines Vaters war die erste, die ich gesehen habe, und ich konnte ihn nicht retten. Nicht, ohne jemand anderen zu töten. Er hat nicht zugelassen, dass ich mein Leben riskierte. Oder das meiner Mutter.“ Er öffnete die Augen und musterte mich durchdringend. „Und er hatte recht, Kaylee. Wir können nicht das Leben Unschuldiger aufs
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