Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
„Er ist nur ein Sensenmann, einer von tausenden. Er ist ein Reaper, das ist sein Job.“
„Sein Job? Der Tod ist nur ein Job? Jetzt warte mal …“ Ich atmete tief ein, schloss die Augen und zählte bis zehn. Als das nichts half, zählte ich bis dreißig. Dann öffnete ich die Augen und erwiderte Nashs Blick in der Hoffnung, dass der Aufruhr, der in mir tobte, nicht zu deutlich in meinen Augen zu lesen war. „Also … Als du gesagt hast, dass du den Tod nicht aufhalten kannst, da hast du eigentlich gemeint, dass du Todd nicht aufhalten kannst?“
„Nicht ihn im Speziellen, aber der Gedanke dahinter ist korrekt. Die Reaper tun ihren Job, genau wie alle anderen auch. Und im Großen und Ganzen sind sie keine großen Fans von Banshees.“
„Ich will lieber gar nicht wissen, weshalb.“
Nash lächelte mich mitfühlend an und griff nach meiner Hand. Selbst bei der kleinen Berührung stieg mein Puls. Verdammt! Mir wurde klar, dass es mir immer schwerfallen würde, auf ihn wütend zu sein. „Die meisten Reaper mögen uns nicht, weil wir zumindest theoretisch die Fähigkeit haben, ihnen das Leben schwerzumachen. Auch wenn wir die Seele eines Menschen nicht zurückführen, kann der Reaper sie sich nicht holen, solange du sie besingst. Jede Sekunde deines Klagelieds bedeutetalso eine Verzögerung der Seelenübergabe. In einem arbeitsreichen Bezirk kann das einen Reaper beträchtlich aus dem Zeitplan bringen, was ihn natürlich ziemlich nervt. Ein Reaper sieht es nicht gern, wenn sich jemand an seinem Spielzeug vergreift.“
Na toll. „Ich bin also nicht nur kein Mensch, sondern habe den Tod als Erzfeind.“ Panik, ich? Keine Spur. „Gibt es noch etwas, das du mir sagen willst, wo wir gerade dabei sind?“
Nash lachte leise in sich hinein. „Reaper sind nicht unsere Feinde, Kaylee. Sie sind nur nicht sonderlich scharf auf unsere Gesellschaft.“
Irgendetwas sagte mir, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich nickte ergeben und stieg aus dem Auto. Nash stieg auch aus und schloss ab. Das Klacken der Zentralverriegelung hallte von den Wänden wider. In der Tiefgarage war es dunkel, und außer uns schien niemand hier zu sein, was angesichts unserer Diskussion sicherlich von Vorteil war.
„Wie sieht Todd aus? Schleicht er wie ein bleiches Skelett unter einem schwarzen Umhang mit Kapuze herum, die Sense in der Hand? Ich schätze, das würde im Krankenhaus eine größere Massenpanik auslösen.“
Unsere Schritte hallten in der Garage wider, als wir Richtung Ausgang gingen. Nash nahm meine Hand. „Lauerst du vielleicht in einem langen, dreckigen Kleid und mit wehendem Haar einer Trauergemeinde auf?“
Gespielt entrüstet riss ich die Augen auf. „Spionierst du mir etwa nach?“
Nash verdrehte die Augen. „Er sieht ganz normal aus. Aber das spielt auch keine Rolle. Du kannst einen Reaper nur sehen, wenn er es zulässt.“
Ein sanfter Windhauch trieb ein paar lose Papierfetzen über den Boden und brachte die unter den Scheibenwischern der Autos festgeklemmten Werbezettel zum Flattern. „Meinst du, dass Todd uns sehen will?“
„Kommt auf seine Laune an“, erwiderte Nash trocken und hielt die schwere Glastür direkt neben der Drehtür auf, die ineinen schmalen Flur führte. Durch eine weitere Tür gelangten wir in die kleine Eingangshalle, in der ein paar unbequem aussehende Sessel standen. Wir waren die einzigen Besucher. Im Krankenhaus war es angenehm warm, und langsam verflüchtigte sich die Gänsehaut auf meinen Armen.
Nash nahm keine Notiz von der Mitarbeiterin am Empfangstresen – sie war sowieso eingeschlafen – und führte mich zu einer Reihe von Aufzügen am hinteren Ende der Halle.
Meine Schuhe quietschten auf dem polierten Fußboden, und es stank nach Desinfektionsmitteln und Duftbäumen, beides für sich schon schlimm genug. Ich war froh, dass der Aufzug ganz links schon da war und offen stand.
Wir stiegen ein, und Nash drückte auf den Knopf für den dritten Stock. Als sich die Türen schlossen, wich der Gestank der Lobby dem typischen Krankenhausgeruch: einer Mischung aus abgestandener Luft, Kantinenessen und Bleichmittel.
„Arbeitet Todd im dritten Stock?“, fragte ich, als sich der Aufzug in Bewegung setzte.
„Er arbeitet praktisch überall, aber die Intensivstation ist im dritten Stock. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn dort finden, ist ziemlich groß. Sofern er gefunden werden will.“
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als mir die Bedeutung seiner Worte
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