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Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition)

Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition)

Titel: Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dutli
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»bis auf weitere Verfügung«. Sie saßen fest. Magdeburg, Smilowitschi. Verdächtige Geburtsorte.
    Das alte Ritual, die Wut des Hervorzerrens, das blinde Verfeuern, brachte manchmal eine hämische kleine Erleichterung, sogar der Schmerz im Bauch schien dafür scheinheilig auszusetzen, oder er ließ sich vom Feuer betäuben. Es war ein nach Terpentin stinkendes Sommerfeuer, die Vollstreckung der immergleichen, seit den Jahren in den Pyrenäen geübten Tat.
    Und jedesmal hört er die Stimme des Händlers Zborowski, der seit über zehn Jahren tot war, entsetzt in seinen Ohren gellen:
    Nein! Hör endlich auf damit! Du bringst dich selber um!
    Er antwortete jedesmal mit einer verächtlichen Grimasse, die keiner sehen konnte. Der Maler erinnert sich nicht mehr genau, wann er den Satz zum ersten Mal hervorgestoßen hat:
    Ich bin der Mörder meiner Bilder, versteht ihr denn nicht? Ich werde es euch zeigen.
    Ich bin … der Mörder … meiner Bilder.
    Es musste nicht immer Feuer sein, das die Lösung brachte. Öfter waren es Angriffe mit dem Messer gewesen, ein blindes Aufschlitzen, um die farbigen Geschwüre auf der Leinwand nicht mehr sehen zu müssen. Um sie aus der Welt zu schaffen. Das Messerritual oder Scherenritual war hastiger, unkontrollierter. Unten, tief unten rechts hineinfahren und die Klinge blind und quer nach links oben hochreißen bis zum Rand, dann noch einmal, und noch einmal, bis nichts mehr erkennbar war. Bis die Streifen herabhingen, wie die blutigen Lappen zerfetzter Bäuche. Nein, keine Befriedigung, nie. Nichts als dumpfe Traurigkeit und Leere. Im Feuerritual war mehr wütender Triumph: das Hervorzerren der Leinwände, die Fäuste am Rahmen festgekrallt, das Hineinschleudern in den rauchenden, schlecht ziehenden Kamin, das Auflodern, wenn die Flammen das Öl geleckt hatten. Keiner hat mehr Bilder zerstört als er, keiner.
    Ma-Be, hörst du mich? Ist der Wagen aus Chinon schon angekommen? Er soll warten.
    Er flüstert. Er flucht.
    Es ist an diesem letzten Julitag nur eine der zahllosen Zerstörungsorgien, das ewige blinde Verfeuern eines früheren Lebens. Auf die Wirkung war kein Verlass. Er will es nur loswerden, will die Bilder aus dem Leben fegen, und den Teil von ihm selbst, der in ihnen gefangen ist. Der Selbstauslöscher, Selbstzerfetzer, Selbstverfeuerer. Soutine, Chaim.
    Keiner hat das Ritual verstanden. Kein Maler, kein Zborowski, nicht die beiden Frauen der letzten Jahre, weder Mademoiselle Garde noch Marie-Berthe. Und keiner konnte ihn aufhalten. Er selber verstand es nicht. Der ganze Park steht in Flammen vor seinen Augen, wirft Flammen auf seine Pupillen zurück. Er weiß, es muss geschehen, das war alles. Am 31. Juli 43 bringt es keine Erleichterung. Und der Schmerz ist nach dem Ritual sofort wieder da.
    Es bleiben ein paar Bilder, die Madame Moulin diskret zusammengerollt nach Paris transportierte, um sie Galeristen anzubieten, was Brot und Eier ermöglichte, denn das Pariser Konto war gesperrt. Und es gab ganz wenige, vorsichtig ausgewählte Besucher, die aus Paris nach Champigny kamen. Die Bilder der letzten Jahre. Zwei sich suhlende Schweine, eines rosa, das andere so feldgrau, so uniformgrün mit Schlamm und Dreck verschmiert, dass ein paar Klugköpfe orakeln werden, er habe Soldaten der Wehrmacht dargestellt. Worauf sie alles kommen. Zweimal Mutter mit Kind, finsterblaue, verletzte Kindheiten, bittere Mütter, Ikonen der Besatzungszeit. Vom Wind gepeitschte Schulkinder auf dem Heimweg, klein und umhergeworfen in der stürmischen Dämmerung, sich panisch bei den Händen haltend. Kinder auf dem gefällten Baumstamm. Wer hat die Bilder gerettet vor ihrem Maler und seinen Besatzern, still beiseite gebracht, in den unauffälligen Schatten gestellt, als der Park in Flammen stand.
    Bilder, die er sich und dem Magengeschwür in den letzten Monaten abgerungen hat. Hinein ins Feuer mit allem, was noch übrigblieb. Es bleibt nur wenig Zeit. Und er weiß nicht, ob es nicht seine letzte Verfeuerung war. Brandbestattung, blinde blanke Routine. Das Feuer war gut. Es ließ nur Asche zurück und ein paar unverkohlte Holzstücke, Reste des Rahmens. Letzte Möglichkeit, das Unmögliche zu löschen. Zwar liegen noch beim Metzger, Monsieur Avril, ein paar Gemälde, als Faustpfand, bis zur immer wieder aufgeschobenen Bezahlung, bis die seit Wochen angewachsene Schuld beglichen würde. Sollen sie Geiseln bleiben. Die Schuld ist nicht mehr zu begleichen. Nichts war nie und nirgendwo

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