Späte Familie
hörte ich spielende Kinder, und eines von ihnen schreit, Mama, halte das Karussell an, mir ist schlecht, und ich schüttle mich erschrocken, die Sonne scheint noch nicht, aber der Mond richtet seinen konzentrierten Lichtstrahl auf mich, ein seltsamer Mond, ein doppelter Mond, Zwillingslichter steigen aus der Erde empor, als stünde die Welt auf dem Kopf, als wäre der Himmel unten und die Erde oben, und ich blinzle, bis ich verstehe, dass die Scheinwerfer eines Autos auf mich gerichtet sind und das Geräusch eines Motors in meinen Ohren dröhnt, und noch nicht einmal dieAngst bringt mich dazu, aufzuspringen und wegzulaufen, und auch als die Tür aufgeht, bleibe ich auf meinem Platz, auch als eine dunkle Silhouette aussteigt und auf mich zukommt, und als ich seine Stimme sagen höre, komm nach Hause, Ella, lege ich den Kopf auf das Lenkrad des Karussells, begreife mit dem letzten Rest meines müden Bewusstseins, was nun passieren wird, er wird unter groÃer Anstrengung den leblosen Körper aufnehmen, von dem die Lust abgefallen ist, und mit ihr die Selbstbeherrschung, die Verantwortung und die Reife, die Vernunft und die Hoffnung.
Durch das brennende Dunkel meines abgebrochenen Schlummers versuche ich die Richtung unserer Fahrt zu bestimmen, ob er mich zu mir nach Hause bringt oder zu sich, und empfinde ein warmes Gefühl der Erleichterung, als ich seine Gasse erkenne, heiÃt sie wirklich Simtat ha-Slichot, Gasse der BuÃgebete? Mit zusammengekniffenen Augen beobachte ich ihn, stelle mich schlafend, um ihm nicht in meiner Schande gegenübertreten zu müssen, lasse mich hinterherziehen wie eine Mondsüchtige, betrete hinter ihm die Wohnung, lasse zu, dass er mich mit geübten Bewegungen auszieht, den Mantel, den Pullover, die Bluse, den Büstenhalter, die Schuhe und Strümpfe, die Hose und die Unterhose, so viele Hüllen, und trotzdem solche Kälte. Als ich bewegungslos in der vollen Badewanne liege, habe ich Kopfschmerzen vom Weinen und dem jäh unterbrochenen Schlaf, von dem wiedererwachten Gefühl der Reue, ich trinke den heiÃen Tee, den er mir bringt, sehe die vorsichtigen Blicke, die er mir manchmal zuwirft, als suchte er eine Gräte in meinem Hals, und hinter der Welle des Wohlgefühls, plötzlich umsorgt zu werden, wie ich noch nie umsorgt wurde, auf eine vollkommene, fast beschämende Art, kommt es mir vor, als verstünde ich langsam, wie hoch der Preis ist, denich dafür zahle, denn die Art, wie er mich vorhin ausgezogen hat, war nicht die Art eines Mannes, der eine Frau auszieht, sondern es war so, wie ein Vater seine Tochter oder ein Arzt eine Kranke auszieht, und auch der Blick, mit dem er auf meine Nacktheit schaute, war sachlich und ohne jede Nähe.
Als ich aus dem Wasser steige, noch immer zitternd vor Kälte, reibt er meine Haut mit einem Handtuch ab und zieht mir ein weiÃes Flanellunterhemd an, und während der ganzen Zeit sagt er kein Wort, er führt nur praktische Bewegungen aus, als wäre ich ein stummes Findelkind, das er vom StraÃenrand aufgelesen hat, eine StraÃenkatze, derer er sich in der kalten Nacht erbarmt, die er aber, wenn die Sonne aufgeht, wieder wegjagen wird, und auch ich sage kein Wort, ich versinke in dem Bett mit der neuen harten Matratze, ziehe die Decke über mich, trinke den Rest des süÃen Tees, verfolge seine ruhigen Bewegungen und frage mich, ob er so seinen Vater gepflegt hat, seine Mutter, seine Schwester, mit diesem tüchtigen, traurigen Schweigen, er wagt es nicht, sich zu beklagen, seinen Unmut zu zeigen. Willst du noch einen Tee, fragt er, und ich sage, nein, ich möchte mit dir sprechen, ich strecke ihm die Hand entgegen und er weicht aus, du solltest noch etwas trinken, sagt er, offenbar fürchtet er sich vor dem Ende der nützlichen Tätigkeiten, was wird er dann tun, wird er mir vorschlagen, noch einmal in die Badewanne zu steigen, wird er mich noch einmal aus- und wieder anziehen, und ich sage zu seinem sich entfernenden Rücken, sprich mit mir, Oded, und er sagt, lass uns mit dem Reden noch warten, und ich frage, worauf, und er kommt mit einer vollen Tasse Tee zurück, setzt sich auf den äuÃersten Rand des Bettes, als fürchtete er, sich bei mir anzustecken. Ich möchte nichts überstürzen, sagt er ruhig, ich möchte nichts zu dir sagen, was ich hinterher bereue, und ich flüstere, ich habe dich enttäuscht, es tutmir so Leid, und er sagt,
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