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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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schwarzem Muster, darin purpurfarbene Birnen, die aussehen wie aus Ton, ich kann mich nicht beherrschen und strecke die Hand nach einer aus, um zu prüfen, ob sie echt sind, sie fühlt sich hart und kühl an, ich schaue mich um, ob mich auch keiner sieht, und dann beiße ich hinein, bereit, mit den Zähnen die harte Keramik zu spüren, aber zu meiner Überraschung ist sie saftig und weich, erstaunlich süß, ich beiße noch einmal hinein, laufe zwischen den Möbeln umher. So leben sie also, das sind die Gegenstände, die man zwischen den Trümmern des Hauses fände, wenn es jetzt einstürzen würde, ich versuche die stummen Fundstücke zum Sprechen zu bringen, mit ihrer Hilfe das Wesen der Bewohner und ihren gesellschaftlichen Rang zu bestimmen, als stünde ich vor einem Wohnhaus, das bei einer Ausgrabung entdeckt wurde.
    Ich meine, das Knarren einer sich öffnenden Tür zu hören, bereite mich schon darauf vor, Michal freundschaftlich anzulächeln, und schlucke schnell das halb zerkaute Stück Birne hinunter, aber zu meiner Verwirrung ist nicht sie es, sondern ein verschlafener hagerer Mann in einem schwarzen T-Shirt und mit Boxershorts, so rot wie die Birnen und dazu weiß gepunktet, die Shorts sind ihm zu groß, er sieht aus wie ein Junge, der die Unterhose seines Vaters anprobiert, er kommt mit mechanischen kurzen Schritten in meine Richtung, aufrecht und gespannt und in Gedanken versunken wie ein Mondsüchtiger, mit fast geschlossenen Augen, und geht, ohne mich zu bemerken, zur Toilette, die von der Diele abgeht, stellt sich vor die Schüssel und pinkelt konzentriert, sein stotternder Urinstrahl ist durch die weitoffen stehende Tür zu hören, ich kann den Blick nicht abwenden, schlage meine Zähne in die Birne, um nicht in Lachen auszubrechen, und zu meiner Überraschung sehe ich, wie er sich über die Toilette beugt, buckelnd wie eine trinkende Katze, sein Kopf verweilt dicht über der Schüssel, bewegt sich hin und her, als hege er Zweifel an seinem Fund, dann richtet er sich auf und verlässt den Raum, ohne die Wasserspülung zu betätigen, und geht in die Küche, drückt auf den Schalter des Wasserkochers und schaut sich um, wie um sich zu vergewissern, dass nichts fehlt, und erst da entdeckt er mich.
    Hätte ich nicht plötzlich angefangen zu lachen, hätte er mich vielleicht noch immer nicht bemerkt, aber ich kann mich nicht beherrschen, ich lehne an der Wand und lache so lange, bis es mir wehtut, das Lachen bricht aus meiner Kehle wie ein zäher Brei, und er steht vor mir, mit einem überraschten Gesicht, betrachtet mich feindselig und streicht sich gedankenlos mit der Hand über die Brust, die sich hart unter seinem T-Shirt abzeichnet, und ich halte die rote Birne hoch, als wäre sie ein Glas Wein, mit dem ich ihm zuprostete. Köstliche Birnen habt ihr, murmle ich, ich war sicher, sie seien nicht echt, und er mustert mich mit offenem Unwillen und fragt, kennen wir uns, mit einer kalten Stimme, die deutlich macht, dass er nicht so amüsiert ist wie ich, und ich sage, nicht wirklich, ich bin Gilis Mutter, Michal hat Gili eingeladen, mit Jotam zu spielen, vermutlich sind wir zu früh gekommen. Es tut mir Leid, dass ich Sie in Verlegenheit gebracht habe, füge ich hinzu, und wieder steigt Lachen in mir auf, im Spiegel gegenüber sehe ich meinen Mund, der sich weit öffnet, aber er stimmt nicht in mein Lachen ein, er wirft den Kopf zurück wie ein Pferd. Sie hätten wenigstens etwas sagen können, guten Morgen zum Beispiel, murrt er, Sie hätten mich warnen können, dass ichnicht allein bin, ich habe nicht gewusst, dass ich beobachtet werde, und sofort läuft er zur Toilette und drückt die Wasserspülung, und ich habe das Gefühl, dass auch sie ihn auslacht und jubelnd gurgelt, und ich sage, ich habe Sie nicht beobachtet, ich war einfach hier, es tut mir Leid, vergessen wir es, sagen Sie mir nur bitte, was haben Sie in der Kloschüssel gesucht, es gelingt mir nicht, meine Neugier zurückzuhalten, und er sagt, Blutspuren, und ich wiederhole erstaunt, Blutspuren? Warum? Er sagt, das ist so eine Angewohnheit von Leuten mit einer problematischen genetischen Veranlagung.
    Und haben Sie welche gefunden, frage ich ein bisschen besorgt, und er sagt, nein, erfreulicherweise nicht, aber morgen früh werde ich wieder nachschauen, Sie können gerne kommen und mir dabei zusehen, und jetzt

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