Späte Familie
zeigt sich auf seinem Gesicht ein verhaltenes, vorsichtiges Lächeln, das erst in seinen Augen auftaucht und plötzlich heller wird. Wollen Sie einen Kaffee, fragt er, wenn Sie nun schon hier sind, trinken Sie etwas, und ich beeile mich zu sagen, nein, danke, ich muss gehen, es sieht so aus, als würde Gili mich nicht mehr brauchen, aber er beharrt darauf, wird von Minute zu Minute freundlicher, warten Sie, der Kaffee ist schon fertig, schnell gieÃt er das kochende Wasser in eine groÃe Kanne, scharfer Kaffeeduft erfüllt den Raum, und ich lasse mich davon verführen, setze mich an die Anrichte in der modern gestalteten Küche und betrachte, diesmal mit Erlaubnis, die Bilder an den Wänden, die Zettel auf dem Kühlschrank, um nicht zu dem Mann hinüberzuschauen, dem die unabsichtliche Stripteasevorführung langsam Spaà zu machen scheint. Er läuft aufrecht herum, noch immer in Unterhosen, gieÃt Kaffee ein, stellt eine Zuckerdose und ein passendes armenisches Milchkännchen vor mich hin, dazu eine Schale mit sternförmigen Schokoladenkeksen, und ichschiele mit Unbehagen zu dem langen Flur, gleich wird sie dort auftauchen und ihren Mann mir gegenüber sitzen sehen, in Unterhosen, was wird sie dann bloà denken?
Vielleicht ziehen Sie lieber etwas an, schlage ich dem Mann vor, dessen Namen ich nicht weiÃ, was wird Michal denken, und er grinst, zeigt seine viereckigen hübschen Zähne, mich verlegen zu machen hat Sie doch nicht gestört, und jetzt ist es an Ihnen, verlegen zu sein, und ich genieÃe seinen herausfordernden Ton, was macht es mir eigentlich aus, es ist sein Problem, nicht meins, trotzdem wünsche ich ihr einen tiefen und langen Schlaf. Ich lausche auf die Geräusche des Hauses, einen Moment lang kommt es mir vor, als hörte ich ein leises Wimmern aus einem der Zimmer, kaum hörbar im Jubel der Kinder, und ich schaue mich fragend um, aber er ignoriert meinen Blick, widmet sich den Schokoladenkeksen, tunkt einen nach dem anderen in seinen Kaffee und steckt sie dann schnell in den Mund, bevor sie sich in der Tasse auflösen, und trotzdem zerbröseln sie in seinen Fingern, schon schwimmen Krümel auf dem heiÃen Kaffee, und er muss sich mit den abgebrochenen Sternen begnügen, er beginnt kein Gespräch, und auch ich nicht, meine Augen verfolgen sein Spiel mit den Keksen.
Essen Sie doch was, drängt er, und ich sage, ich habe keinen Hunger, und er fragt, möchten Sie etwas anderes? Vielleicht noch eine Birne? Ich schüttle den Kopf, in meiner Hand verbirgt sich aus irgendeinem Grund noch der saftige klebrige Rest der Birne, die ich vorhin ohne Erlaubnis genommen habe, und ich suche nach einer Möglichkeit, sie loszuwerden, finde aber keine, ich finde auch kein Gesprächsthema, ebenso wenig wie er, vielleicht beginnt er auch absichtlich kein Gespräch, weder über die politische Lage noch über die Kinder oder die neue Schule, auch nicht darüber, wo ich wohne und was ich beruflich mache, sondernbegnügt sich mit den einfachsten Gesten, als hätten wir das alles schon hinter uns, als wären wir ein Paar, das schweigend und vertraut aufwacht. Ab und zu brechen kichernde Laute aus meinem Mund, dann legt er seinen Keks hin und schaut mich mit einem skeptischen Lächeln an, das seinen Gesichtsausdruck vollkommen verändert, wir scheinen zu Komplizen in einem lustigen Lausbubenstreich geworden zu sein, wie Gili und Jotam, die einen Wasserbeutel durch das Treppenhaus geworfen haben, jetzt nehme ich mit erstaunlicher Nonchalance an dem Spaà teil, belästige ihn nicht mit höflichen Fragen, obwohl ich mich über ein paar Informationen gefreut hätte, ich betrachte seinen hageren Körper, versuche, mich mit dem zu begnügen, was ich sehe, straffe Schultern, nackte jungenhafte Oberschenkel, ein längliches, wie aus Holz geschnitztes Gesicht, zwei senkrechte Falten auf den Wangen, tief liegende, weit auseinander stehende Augen mit schweren Augenbrauen, volle dunkle Lippen, und wenn er mich jetzt küssen würde, würde ich für einen Moment den Berg von Sorgen vergessen, der auf mir lastet. Seine Lippen würden sich auf meine legen wie eine warme Decke im Winter, mich beruhigen und befriedigen, und ich betrachte sie, noch nie habe ich so lebendige, ausdrucksvolle Lippen gesehen, nie dieses Verlangen nach einem überraschenden Kuss gespürt, der eigentlich nicht für mich bestimmt ist.
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