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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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durch Jotams aggressive Drohung, dann lade ich dich nie mehr ein, dann bin ich für immer böse auf dich.
    He, wie benimmst du dich denn, mischt sich sein Vater sofort ein, siehst du nicht, wie schwer es ihm fällt? Hilft man so einem Freund? Und Jotam jammert schon, gekränkt von dem Tadel gleich nach dem Kuss auf die Stirn, und auch Gili fängt an zu weinen, enttäuscht von sich selbst und aus Angst vor den Folgen seines plötzlichen Entschlusses, der alles verdorben hat, der seinen Stand bei seinem neuen, begehrten Spielkameraden, dem Vertreter der ganzen Klasse, ins Wanken gebracht hat, und ich atme schwer angesichts der zwei gesenkten Köpfe, die jaulen wie kleine Hunde, mir scheint, als sei mir plötzlich der Weg versperrt, aber es ist keine gewöhnliche Straßensperre mit blinkenden Warnlampen, sondern ein kleiner Junge, ungefähr einen Meter groß und fünfundzwanzig Kilogramm schwer, der ausgestreckt auf der Straße liegt und mich am Weiterkommen hindert, und eine Welle von Groll überschwemmt mich, du wirst mich nicht dazu zwingen, mit deinem Vater zusammenzubleiben, du wirst mich nicht zwingen, deinetwegen auf alles zu verzichten und zu dem Leben zurückzukehren, von dem ich genug habe, doch sofort verfliegt der Groll und macht dem Mitleid Platz, mit welcher Sehnsucht er seinen Freund betrachtet, der wieder von den Armen seines Vaters umschlungen ist, mit welchem Neid, als hätte er selbst nie einen Vater gehabt.
    Wie vorher der volle Wasserbeutel, so fallen wir die Treppen hinunter, zerplatzen auf dem Boden, und wie das verspritzte Wasser nicht mehr zurückkehren kann, die Treppen hinauf und hinein in den Wasserhahn, so können auch wir nicht mehr durch jene Tür gehen, diese besonders hoheMetalltür, als wären die Bewohner Riesen, und während wir mit gesenkten Köpfen das Haus verlassen, ist wieder ein explosionsartiges Geräusch zu hören, als eine mit Wasser gefüllte Tüte vor unseren Füßen zerplatzt wie ein wütender Abschiedsgruß. Ich meine, ein Schimpfen zu hören, sehe aber nicht hoch, ich konzentriere mich auf Gili, der demonstrativ die Nase hochzieht und meine Hand, die seine hält, absichtlich fester drückt, bis es mir wehtut.
    Aus den Fenstern dringen das Klappern von Tellern und Besteck, Gesprächsfetzen, Kinderjubel, ein spätes Frühstück, das sich von einem Fenster zum nächsten zieht und dessen Düfte sich mischen, Rührei und Salat und Toast und Kaffee, und ich erinnere mich an die noch fast volle Kaffeetasse, die ich zurückgelassen habe, und wieder überschwemmt mich Zorn, was fällt dir ein, sage ich, am Ende wirst du ohne Freunde bleiben, Jotam hat so auf dich gewartet, er wollte unbedingt dein Freund sein, und du hast ihn enttäuscht, das ist wirklich nicht schön von dir, dich so zu benehmen, und er scheint nur auf mein Schimpfen gewartet zu haben, um in herzzerreißendes Weinen auszubrechen, ich will Papa, du hast mir gestern versprochen, dass Papa heute Morgen kommt, Jotam ist mir egal, du bist mir egal, ich will nur Papa, und ich balle wütend die Hand zur Faust, erst da bemerke ich, dass ich immer noch den Rest der roten Birne umklammere, und statt sie in den nächsten Papierkorb zu werfen, stopfe ich sie mir in den Mund und kaue hingebungsvoll. Der Geschmack des Lachens, das ich gelacht, des Kaffees, den ich nicht ausgetrunken, und der Frage, die ich nicht angemessen beantwortet habe, und der Kekse, die ich nicht gegessen, und des Kusses, den ich nicht bekommen habe, füllen meinen Mund statt der besänftigenden Worte für meinen bitterlich weinenden Sohn, und ich bewege den Rest der saftigen Birne zwischen meinen Zähnen,weigere mich, ihn loszulassen, auch als wir schon unsere Wohnung betreten, in der die vertraute Stimme eines Mannes zu hören ist, und Gili schreit, Papa, rennt zur Küche und macht aus irgendeinem Grund den Kühlschrank auf, als könne ihm von dort sein Vater entgegenkommen, aber es ist nicht Amnons Stimme, vom Anrufbeantworter verkündet Gabi, langsam, wie es seine Art ist, eine ausführliche Nachricht, von deren Ende man auf den Anfang schließen kann.
    Jedenfalls, Ella, ruf mich sofort an, wenn du von ihm hörst, ich mache mir wirklich Sorgen, er hat gesagt, dass er eine Runde drehen will, aber er ist die ganze Nacht nicht zurückgekommen und geht nicht an sein Handy, und gestern war er wirklich fix und fertig, er hat

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