Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Königs Gustaf V. gewesen zu sein. Ob das wahr ist, weiß ich nicht. Es stimmt aber, dass es Gerüchte um den König gab. Und es stimmt wohl auch, dass Haijby Zahlungen vom Königshaus erhalten hat. Die Zahl 170000 Kronen machte die Runde. 1938 wurde Haijby wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verhaftet und in ein Irrenhaus gesteckt. Kurz darauf wurde er allerdings wieder entlassen, ohne vor ein Gericht gestellt zu werden, stattdessen zwang man ihn, nach Nazi-Deutschland zu emigrieren, wo er in einem Gestapo-Gefängnis verschwand.«
Nyström sah ihn an. Sie spürte, dass sie ihn jetzt reden lassen musste.
»Noch während des Krieges schoben ihn die Deutschen wieder nach Schweden ab, wo er nach Kriegsende einen autobiografischen Roman veröffentlichte. Interessanterweise wurde die komplette erste Auflage vom schwedischen Königshaus aufgekauft und zerstört. Übrigens umsonst, denn später gab es eine zweite Auflage. Dort im Regal steht ein Exemplar, ein krudes Machwerk, aber geschichtlich gesehen nicht uninteressant. Auf politischen Druck hin wurde Haijby schließlich erneut in ein Hospital für psychisch Kranke eingewiesen. Irgendwann zeigte er diese Zwangseinweisung beim Generalstaatsanwalt an. Vilhelm Moberg gelang es dann, diese Dokumente aus dem Büro des Staatsanwalts herauszuschmuggeln. Es kam zu einem Prozess, und Haijby wurde wegen Erpressung zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Einige Jahre später beging er dann Suizid. Moberg übrigens auch, obwohl das eine andere Geschichte ist.«
Für einen Moment meinte Nyström, in seinem Gesicht eine Art von Genugtuung zu lesen.
»Aber was für ein Bild entstand von uns in der Öffentlichkeit? Dass Schweden von Homosexuellen kontrolliert wird. Dass sogar der König seine Macht missbraucht, um dunkle, um schwule Machenschaften zu vertuschen. Angestachelt von Kejne und Moberg begannen die Boulevardblätter eine Hexenjagd, und wir wurden in die Ecken getrieben, in die Verstecke. Das gesellschaftliche Klima war Anfang der Fünfziger derartig vergiftet, dass es unmöglich war, offen homosexuell zu sein. Wir wurden als Gefahr für die Gesellschaft gesehen. Ich habe dir von meinem Leben erzählt, von der Angst und den Lügen, vom Versteckspiel. Und das Gleiche muss Balthasar in sein Versteck getrieben haben: Angst. Das ist der einzige Grund, den ich mir denken kann. Er muss eine unglaubliche Angst gehabt haben.«
Axelsson hielt seine Teetasse mit beiden Händen umklammert, so als wollte er sich daran festhalten. Seine Augen waren jetzt nicht mehr trübe. Er sah Nyström an.
»Weißt du, dass auch er erpresst wurde?«
Nyström schüttelte den Kopf.
»Es ist nichts, was ich beweisen kann, es ist mehr ein starkes Gefühl. Er hat Andeutungen gemacht, wenn er zu viel getrunken hatte, aber wirklich darüber reden wollte er nicht. Ich bin mir sicher, dass es in der Zeit mit Johan passiert ist. Es gab jemanden, der von ihrem gemeinsamen Leben und ihrer Liebe wusste. Jemand, der dieses Wissen ausgenutzt hat. Ich glaube, dass Balthasar Geld bezahlt hat. Er hat sich das Schweigen eines Mitwissers erkauft, um seine Liebe zu Johan zu schützen. Stell dir das einmal vor: Du musst dafür bezahlen, dass du jemanden liebst.«
»Weißt du, wer? Wer ihn erpresst haben könnte?«, fragte Nyström. Ihre Stimme klang zu schrill, fand sie. Der Backofen begann zu piepen, es war das Signal, dass das Brot fertig gebacken war. Frederik Axelsson stand auf und schlurfte langsam zum Ofen hinüber. Dort nahm er zwei Topflappen und holte die Bleche mit dem Brot heraus. Umständlich drapierte er karierte Trockentücher um die heißen Laibe. Ein starker Geruch von Hefe erfüllte die Küche, als würde man Bier auf einen Saunaofen gießen, dachte Nyström. Axelsson setzte sich wieder hin und schaute sie an.
»Nein. Das weiß ich nicht. Aber es gibt eine Sache, über die ich viel nachgedacht habe.«
»Was?«
Nyström gab sich wenig Mühe, ihre aufkommende Ungeduld zu verbergen.
»Einmal, als wir hier saßen und gemalt und eine Flasche Wacholdergeist geleert haben, da hat er von Tieren gesprochen.«
»Von Tieren? Meinte er seine Schmetterlinge?«
»Nein, nein. Es war wildes, wirres Zeug. Er sprach von einer Schlange mit zwei Gesichtern. Er habe ihr ein goldenes Schloss gebaut. Ich habe es nicht begriffen. Es hatte mit seinem Unglück zu tun, mit einer Erpressung, da bin ich mir vollkommen sicher.«
Nyström dachte einen Moment nach. Sog den Geruch der Hefe ein.
»Eine Schlange mit zwei
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