Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Ende.«
»Johan? Weißt du mehr von ihm? Einen Nachnamen?«
»Nein. Balthasar hat selten von ihm gesprochen. Das tat ihm zu weh. Aber ich habe Johans Anwesenheit gespürt, in Balthasars Herzen. Ich weiß nicht, wie er mit Nachnamen hieß, wo sie sich kennengelernt haben, was er gearbeitet hat, das war für mich überhaupt nicht wichtig. Für mich war nur wichtig, dass Balthasar da war, dass er die Leere füllte.«
Frederik Axelsson hatte jetzt doch zu weinen begonnen, auch wenn es dieses Mal kein impulsiver Ausbruch war, sondern ein lautloses Laufenlassen. Nyström konnte den Schmerz und die Einsamkeit ahnen, die in dem alten Mann herrschen mussten. Intuitiv machte sie eine Bewegung auf ihn zu, doch er hob abwehrend die Hand, die bis dahin auf der farbbeklecksten Tischkante geruht hatte.
»Bitte ...«, sagte er leise.
Sie blieb noch eine Minute sitzen, dann klappte sie bedächtig ihren Notizblock zu und erhob sich langsam. Es gabnoch viele Fragen, die sie stellen musste, aber sie verstand, dass Axelsson im Moment nicht mehr konnte. Sanft zog sie hinter sich die Tür ins Schloss und trat in die feuchte Morgendämmerung. Der Nordostwind trieb den Sprühregen waagerecht vor sich her, die Temperatur lag um den Gefrierpunkt, und der Verkehrsfunk hatte für den Tag überfrierende Nässe angekündigt. Als sie im Auto saß und den Wagen startete, sah sie, dass sich Axelssons Haustür wieder öffnete. Die Gestalt des alten Mannes erschien im honigfarbenen Licht, das aus dem Flur fiel. Er winkte sie zurück ins Haus.
4
Lindholm und Delgado gingen in den Kopierraum, scannten das Foto aus dem Album ein und schickten die Datei dem Fahrradkurier Frederico aufs Handy. Dann sahen sie sich selbst die vergrößerte Aufnahme auf einem 19-Zoll-Monitor an und stellten Delgados Notebook mit dem Wikipedia-Foto des Grab-Monuments daneben.
»Das Grab, das wir suchen, muss sich hinter dem Denkmal befinden. Siehst du die Kiefern dort? Die sind auf dem alten Foto allerdings noch viel niedriger.«
»Stimmt. Es müsste die zweite oder dritte Reihe hinter dem Nordpolmonument sein. Schau mal, der Grabstein, der auf dem Frost-Bild links neben der Trauergemeinde steht. Ein Engel mit einer Taube in der Hand und daneben das Kreuz aus hellem Stein. Das müsste dein Cousin eigentlich wiedererkennen.«
Delgados Handy meldete sich. Wieder redete er spanisch. Diesmal dauerte das Gespräch länger. Lindholm verstand nur so viel, dass Delgado seinen Verwandten auf dem Friedhof herumdirigierte. Und das abschließende Gracias !
»Er meint, er hat die Stelle von dem Foto gefunden. Er macht mit seinem Handy ein Foto von dem Grab und schickt es mir.«
Kurz darauf brummte Delgados Mobiltelefon auf der Schreibtischplatte. Die MMS war eingetroffen. Mit einem Kabel aus seiner Schreibtischschublade verband er das Handy mit seinem Computer, wenige Sekunden später hatten die Ermittler eine Viermillionen-Pixel-Fotografie eines eindrucksvollen Grabsteins vor sich. Geschmiedete und vergoldete Lettern in Fraktur-Schrifttype kündeten auf schwarzem Marmor von der letzten Ruhestätte eines Ehepaares.
Adolphius und Vilhelmina Lönn.
Der Inschrift zufolge war der Mann am 04.03.1893 geboren und am 22.03.1971 gestorben. Die Frau war am 16.04.1903 geboren und am 14.06.1988 verstorben.
»Das Foto muss die Beerdigung des Mannes zeigen, sieh dir mal die Mode der Mäntel und Hüte an, eindeutig die Siebziger. Und die Jahreszeit sieht nicht nach Sommer aus.«
»Dann wissen wir also das. Adolphius Lönn. Ich schlage vor, ich schau mal in den Registern nach, ob ich was zu dem Namen finde. Und du versuchst es mit Google.«
Die Männer hackten zwanzig Minuten konzentriert auf ihre Tastaturen ein. Schließlich stand Delgado auf und holte zwei Tassen mit frischem Kaffee. Als er wiederkam, hatte auch Lindholm seine Recherche beendet.
»Du zuerst!«
»Okay. Lönn. Ehemaliger Stadtadel mit guten Kontakten zum Königshaus. Viel Macht, viel Geld. Das nahm gegen Ende des 19. Jahrhunderts natürlich wie überall ab, heute ist die Familie so gut wie ausgestorben. Es gibt nur wenige Nachfahren aus dem Lönn-Clan, eine Frau in Stockholm habe ich gefunden, heißt heute allerdings anders. Hildegard Hedingks, steinalt, aber immer noch einflussreich, wenn man glaubt, was die Klatschblätter so schreiben.«
Delgado trank von seinem Kaffee.
»Außerdem: Adolphius und Vilhelmina Lönn hatten zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Das Mädchen dürfte heute die alte Dame sein, die du
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