Spanischer Wein
Roxana beiläufig hinzu.
„Nein, danke", entgegnete Gina schnell. „Ich bin nach der langen Anreise ziemlich müde.
Und wir sehen uns ja morgen, nach eurer Hochzeit." Nachdem sie ihrer Freundin alles Güte gewünscht hatte, legte sie auf.
Nein, sie wollte Antonio heute Abend nicht sehen, dessen war sie sich sicher. Es lag hauptsächlich daran, dass er bestimmt nicht begeistert sein würde, wenn er von ihrer Ankunft in Spanien erfuhr. Und das war noch milde ausgedrückt! Er würde sehr verärgert reagieren, weil ihm niemand etwas davon gesagt hatte. Daher war ihr wesentlich wohler bei der Vorstellung, ihm im Beisein der anderen Gäste gegenübertreten zu können.
Da sie keine Lust hatte, allein in dem luxuriösen Speisesaal zu essen, bestellte Gina sich eine leichte Mahlzeit beim Zimmerservice. Später wollte sie ein heißes Bad nehmen.
Doch zuerst musste sie ihre Sachen auspacken und in den Kleiderschrank hängen.
Als sie anschließend ihren Koffer im Schrank verstauen wollte, fiel ihr die Post ein, die sie am Morgen noch schnell vom Tisch genommen hatte. Sie hatte sie in die Außentasche ihres Koffers gesteckt und ganz vergessen.
„Sicher sind es hauptsächlich Rechnungen", sagte sie zu sich selbst, während sie die Umschläge durchsah, um sich zu verge wissern, ob etwas dabei war, das dringend zu sein schien. Das Einzige war ein Brief von ihrem Anwalt.
Nachdem sie ihn einmal gelesen hatte, sank Gina aufs Bett und blickte benommen ins Leere. Schließlich zwang sie sich, ihn noch einmal zu lesen.
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst jetzt schreibe", hatte ihr Anwalt angefangen und dann erklärt, dass er wegen einer Operation im Krankenhaus gelegen habe. „Aber nachdem ich einen Brief von, den spanischen Anwälten Ihres Mannes erhalten habe (Kopie anbei), brauche ich weitere Anweisungen von Ihnen, um in dieser Angelegenheit fortfahren zu können ..."
Sie warf einen flüchtigen Blick auf die betreffende Kopie, einen auf Spanisch abgefassten Brief von einer Kanzlei in Cadiz, bevor sie weiterlas, was ihr Anwalt geschrieben hatte.
Offenbar hatten seine Anwälte ihrem Anwalt kurz und bündig mitgeteilt, dass Antonio sie angewiesen habe, das Geld zurückzuzahlen, das Sir Robert Brandon ihm hinterlassen hatte.
Don Antonio Ramirez sei nicht nur überrascht gewesen, dass Sir Robert ihn in seinem Testament bedacht hatte, sondern würde das Geld weder brauchen noch annehmen.
Das Geld, das Senor Don Antonio für die Modernisierung der Bodega Ramirez brauche, habe man ihm bereits vor seiner Reise nach England und seinem ersten Treffen mit Sir Robert Brandon in London zugesichert. Sollte Senora Dona Georgina Ramirez sich dessen versichern wollen, könne sie Einblick in den Vertrag zwischen der Banco de Andalusia und der Bodega Ramirez nehmen.
Deswegen lasse Senor Don Antonio einen Scheck über die betreffende Summe beifügen, denn das Thema sei damit für ihn erledigt.
„O nein!" brachte Gina hervor, als ihr klar wurde, was das bedeutete.
Was sollte sie jetzt bloß tun? Antonio hatte die ganze Zeit die Wahrheit gesagt. Er hatte das Geld, das er für die Modernisierung seiner Firma brauchte, bereits vor seiner Reise nach England und vor seinem Treffen mit ihrem Großvater aufgetrieben. Und er hatte ein Dokument unterzeichnet, um es zu beweisen!
Völlig durcheinander, warf Gina sich aufs Bett und blickte starr zur Decke, während sie sich mit der Tatsache abzufinden versuchte, dass sie - sie ganz allein - für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich war. Dass der Schmerz und die Einsamkeit, all die unglücklichen Monate, das Ergebnis ihrer Unfähigkeit waren, dem Mann zu glauben, den sie über alles liebte, solange sie sich erinnern konnte.
Wie hatte sie nur so dumm sein können? Warum hatte sie ihm nicht vertraut? Hatte sie wirklich so wenig Selbstbewusstsein, dass sie sich von einem alten, verwirrten Mann und einer boshaften Frau derart hatte verunsichern lassen?
Langsam setzte sie sich wieder auf und ging dann ins Bad. Als sie in der Wanne lag, wurde ihr das ganze Ausmaß ihres Verhaltens bewusst, und nur der duftende Badezusatz vermochte ihren Kummer ein wenig zu lindern. Weinen konnte sie nicht mehr. Während sie starr ins Leere blickte, wurde ihr bewusst, dass sie für eine Weile das Paradies kennen gelernt hatte und nun auf Grund ihrer eigenen Dummheit in der Hölle gefangen war.
Und sie konnte nichts dagegen tun - absolut nichts.
Eine Weile später, sie hatte sich gerade abgetrocknet,
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