Spanischer Wein
die Situation. Aber kein Wunder, dass er so wütend ist, dachte Gina und schnitt ein Gesicht. Niemand gab gern zu, dass er sich hatte manipulieren lassen, schon gar nicht ihr stolzer und herrischer Ehemann.
Warum hatte Roxana sich nicht aus allem heraushalten können?
„Komm sofort da raus!" rief Antonio und klopfte ungeduldig an die Tür.
„Nein, tue ich nicht. Geh weg!" konterte sie laut, während sie weiter nach einer Lösung sann.
Natürlich würde sie das Bad bald verlassen müssen. Doch sie wollte verdammt sein, wenn sie es tat, weil ihr Mann sie anbrüllte.
„Sei nicht albern, Gina", sagte er etwas leiser. „Es war ein langer, anstrengender Tag.
Und ich muss mich vor dem Abendessen frisch machen."
„So ein Pech!" sagte sie scharf und hörte voller Genugtuung, wie er auf Spanisch fluchte.
Zehn Minuten später zuckte sie zusammen, weil es leise an der Tür klopfte.
„Es ist lächerlich, wenn wir uns so kindisch benehmen", erklärte Antonio. „Uns bleibt offenbar nichts anderes übrig, als diese Suite heute Nacht miteinander zu teilen. Ich habe schon unten im Restaurant angerufen und das Essen aufs Zimmer bestellt. Also, ich schlage vor, dass wir beide einmal tief durchatmen und uns beruhigen."
Nach einer langen Pause fuhr er leise fort: „K omm, querida, es ist albern, wenn wir so wütend aufeinander sind, no?"
Anscheinend macht er mir ein Friedensangebot, sagte sich Gina. Deswegen sollte sie so vernünftig sein und die Gelegenheit nutzen.
„Na gut", lenkte sie seufzend ein. Nachdem sie aufgeschlossen hatte, öffnete sie langsam die Tür.
„Es tut mir Leid, wenn ich mich kindisch benommen habe", gestand sie, als sie das Zimmer betrat. „Ich habe eine anstrengende Reise hinter mir, und ... ich bin wohl müde."
Sie zuckte die Schultern.
„Mir geht es genauso." Müde strich er sich durch das dichte, wellige schwarze Haar. „Ich bin gestern von Madrid nach Kalifornien geflogen. Und heute hatte ich so viele Besprechungen, dass ich die Maschine hierher gerade noch erreicht habe. Wir sind also beide müde, ja? Umso mehr ein Grund für uns", fügte er hinzu, als sie langsam nickte, „das Kriegsbeil zu begraben, wie man in England sagt, und gemütlich zusammen zu essen, hm?"
„Das ist eine vernünftige Entscheidung", bestätigte sie langsam und bemerkte zum ersten Mal die tiefen Sorgenfalten in seinem Gesicht. „Warum legst du dich nicht erst mal in die Wanne? Das Essen kann doch warten, oder?"
Während Antonio ihren Rat befolgte und ein ausgedehntes Bad nahm, bestellte Gina beim Zimmerservice eine Flasche Champagner und bat darum, das Essen eine Stunde später hochzubringen.
Man sagte ihr, das sei überhaupt kein Problem, und sie dankte im Stillen Roxana.
Wenigstens hatte sie ihnen keine Suite in einer Absteige gebucht, denn das hätte alles noch schwieriger gemacht, als es ohnehin schon war. Und Antonio war nicht der Einzige, der ein Wörtchen mit ihr zu reden hatte.
Nachdem der Zimmerkellner den Champagner gebracht hatte und wieder gegangen war, zog Gina schnell einen langen saphirblauen Hausmantel aus Samt an, den sie aus irgendeinem Grund im letzten Moment in ihren Koffer geworfen hatte.
Es wird kein besonders angenehmer Abend, dachte sie, bevor sie ihre Perlenkette anlegte und die dazu passenden Ohrringe ansteckte. Deswegen wollte sie wenigstens schick aussehen.
Antonio schien zwar bereit zu sein, sich vernünftig mit ihr zu unterhalten, aber mehr konnte sie nicht erwarten.
Sie machte sich auch keine Illusionen darüber, dass er das mit dem Champagner falsch verstehen würde. Doch sie brauchte etwas, womit sie sich aufheitern konnte. Und während sie den Champagner trank, konnte sie zumindest für eine Weile vergessen, dass ihre Ehe und ihr Leben ein einziger Scherbenhaufen waren.
Das mit dem Champagner war doch eine gute Idee, sagte Gina sich kurz darauf, als sie sich zusammen mit Antonio das hervorragende Essen schmecken ließ. Die zwei Gläser - nein, es waren eher drei oder vier gewesen, wenn sie ehrlich war - hatten ihr dabei geholfen, ihren Kummer zu betäuben. Sie musste Antonio sagen, dass sie nun die Wahrheit erfahren hatte.
Und dass sie ihnen beiden das Leben zur Hölle gemacht hatte, weil sie so dumm gewesen war.
Allerdings wusste er es schon. Er hatte immer gewusst, dass ihre Vorwürfe unbegründet waren. Deswegen würde es ihn auch kaum interessieren, höchstens insofern, als er ihr jetzt unter die Nase reiben konnte, wie idiotisch sie sich verhalten
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