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Spatz mit Familienanschluß

Spatz mit Familienanschluß

Titel: Spatz mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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gleich sagen können. Nicht »Ich hab mich in dich verliebt«, so etwas sagte man nicht. Aber »Hübsch siehst du heute aus, du gefällst mir«, dies wäre ohne weiteres drin gewesen. Aber nicht einmal das sagte Markus, es hätte ja Anne oder Marie, die beiden waren heute nicht zu unterscheiden, denn sie hatten nur ihr Badezeug an, keine T-Shirts mit den Anfangsbuchstaben, eingebildet machen können.
    Und da gab es die Katastrophe. Ernst unterbrach seine Berg- und Talarbeiten, musterte den hochfrisierten Zwilling eine Zeitlang und sagte: »Mensch, du siehst toll aus. Meine Frau muß sich auch einmal so’ne Frisur machen.«
    Beide Mädchen kicherten, das hochfrisierte wurde sogar rot, und Markus ärgerte sich. »Deine Frau«, äffte er Ernst nach, »da mußt du erst mal eine kriegen. Wer will dich schon heiraten?«
    »Ich zum Beispiel«, sagte das hochfrisierte Mädchen schnippisch.
    »Ausgerechnet du, Anne.«
    »Nein«, sagte die vermeintliche Anne, »ich bin die Marie, das da ist Anne!«
    »Und warum hast du die Haare nicht hochfrisiert, Anne?« wollte Markus wissen.
    »Ich mochte nicht, ich will nicht andauernd so angeben. Ich will endlich anders aussehen als meine Schwester.«
    »Laß mal sehen«, Markus stand auf, klopfte sich den Sand von den Händen, faßte vorsichtig Annes Haarschopf an und hob ihn nach oben. Annes Haar knisterte fast unhörbar, und es roch nach Meer und ein bißchen nach Shampoo. Und es funkelte in der Sonne. »Tu mir nicht weh«, bat Anne.
    »Nein, ich tu dir doch nicht weh«, erwiderte Markus. »Ich will nur sehen, wie du mit hochgestecktem Haar aussehen würdest.«
    Anne sah jetzt fast so aus wie Marie, auch sie hatte kleine rosige Ohrmuscheln und das wirbelige, feine Haar im Nacken, das zu kurz war, um hochgesteckt zu werden...
    »Laß es wieder runter«, bat Anne.
    »Aber warum, es steht dir auch.«
    »Aber ich will nicht.« Anne packte ihren Haarschopf direkt am Kopf und drängte Markus weg. Als er ihr Haar ausgelassen hatte, rannte sie plötzlich davon und rief: »Ich geh ins Meer.«
    Markus rannte ihr nach. Er wußte nicht warum, aber das machte ja nichts. Er lief, weil Anne lief, und wurde Anne schneller, dann legte er auch ein bißchen Tempo zu.
    »Ha, du erwischst mich nicht!« rief Anne, die wirklich schnell laufen konnte. So schnell, daß ihr Haar hinter ihr herflatterte wie ein Fahne.
    »Doch, ich erwisch dich schon«, keuchte Markus. Er sah, wie sie über einen leeren Liegestuhl sprang, versuchte, auch darüberzuspringen, schlug sich dabei das rechte Schienbein an, daß er am liebsten aufgeheult hätte, fiel hin, rappelte sich hoch, taumelte ein paar Schritte, fand seinen Laufrhythmus wieder, erreichte Anne und klatschte ihr mit seiner Hand auf die braune Schulter. Anne lief noch ein paar Schritte ins flache Wasser hinein, dann blieb sie keuchend stehen.
    »Ich hab dich doch noch gekriegt«, japste er.
    »Ja, aber ganz spät.«
    »Ich bin bei dem verdammten Liegestuhl gestolpert.«
    »Ätsch, ich nicht.«
    »Du hast mir ja auch die Sicht genommen.«
    Sie begann nun etwas schneller ins Meer hineinzugehen, er folgte ihr. Die Stelle am Schienbein brannte wie Feuer, aber er biß die Zähne zusammen. Er hoffte nur, daß Anne noch nicht schwimmen konnte oder eine schlechtere Schwimmerin war als er. Er war — wie gesagt — keine Sportkanone, und seine Klassenkameraden schwammen ihm fast alle davon.
    Sie gelangten jetzt zur ersten tieferen Stelle, das Wasser reichte ihm bis zum Hals. Anne hatte sich vom Meeresgrund abgestoßen und schwamm. Er wußte, daß etwas weiter vom eine seichtere Stelle kam, und begann ebenfalls zu schwimmen. Immer wieder ließ er zwischendurch seine Beine nach unten sinken, um den Boden zu ertasten, aber da war kein fester Untergrund mehr, und Markus bekam es mit der Angst zu tun.
    »Ha, du schwimmst nicht so schnell wie ich«, triumphierte Anne.
    »Doch«, widersprach er und legte seine Kraft vor allem in die Arme. Wenn nur die Haut am Schienbein nicht so wahnsinnig gebrannt hätte, wäre er noch ein bißchen schneller gewesen.
    »Wann kommt denn die nächste Sandbank?« keuchte er.
    »Jetzt kommt keine mehr«, rief sie. »Wir sind schon im tiefen Wasser.«
    »Bist du verrückt? Kehr sofort um!« schrie er nun. Er begann sofort Wasser zu treten und blickte um sich, kein Mensch war mehr in der Nähe. »Wir sind viel zu weit draußen!« schrie er. »Kehr um!«
    Sie hörte aus seiner Stimme die Sorge um sie und wandte sich um, sie waren wirklich weit draußen.

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