Spatz mit Familienanschluß
was da auf der Straße zu finden ist, sie picken auch unverdaute Haferkörner aus den Pferdeäpfeln oder dem Mist, der von den Ponys und den Eseln abfällt, die man mieten kann. Ein mieses Pack ist das. Wenn man ihre schrillen Schreie hört, sollte ein Spatz aus guter Familie wissen, was es geschlagen hat. Und ausgerechnet zwei Lümmel von der Straße machen meinen jüngsten Töchtern schöne Augen. Hab ich das verdient? frag ich dich. Sie sind von frühester Kindheit auf mit dem Besten gefüttert worden, was wir hier auftreiben konnten. Wir haben sie leider zu sehr verwöhnt.« Lucas machte eine Pause. »Ach«, sagte er dann, »ich sehe eben, du hast Risotto auf dem Teller, ein paar Körnchen Reis davon auf dem Tellerrand würden mir in meiner jetzigen Verfassung guttun.«
»Kannst du haben«, sagte Markus.
»Wer kann haben?« fragte Vater.
»Wer kann was haben?« wollte Kathrin wissen. »Mhm«, machte Stefanie. »Wer kann was und wieviel wovon haben?«
»Was fragt ihr mich denn alle so komisch?« Markus wetzte auf seinem Stuhl hin und her.
»Das weiß ich nicht«, sagte Stefanie. »Aber du hast gesagt, kannst du haben.«
»Hab ich gesagt?«
»Wir haben es alle gehört«, sagten die anderen. »Ganz genau haben wir’s gehört.«
»Dann hab ich nur mit mir selbst gesprochen.«
»So?« Vater sah sehr ungläubig drein. »Hast du nicht wieder mit diesem Spatzen auf der Stuhllehne gesprochen?«
»Schon möglich«, antwortete Markus, und er sah mit den anderen zu, wie Lucas Altamura auf den Tisch flog und sich frech, wie es die anderen nannten, von Markus' Tellerrand Reiskörner pickte.
»Du hast ihm gesagt, daß er sich die holen kann!« rief jetzt Stefanie.
»Schon möglich«, sagte Markus erneut. »Wenn er sich alle Körner vom Tellerrand geholt hat, kannst du den Rest vom Risotto haben.«
»Danke«, sagte Stefanie eingeschnappt. »Ich esse nicht, was Spatzen übriglassen.«
Lucas tat, als habe er das nicht gehört, sonst hätte er beleidigt sein müssen. Er schnabulierte die wunderbar gedünsteten Reiskörner, schmeckte die aromatischen Zwiebelchen heraus, die mitgedünstet worden waren, und den kräftigen Schuß Weißwein, den der Koch dazugetan hatte, um dem Risotto einen pikanteren Geschmack zu verleihen.
»Iß es auf, Junge«, befahl er Markus, »wenn Stefanie ohnehin nichts davon will. Risotto gibt Mumm, verstehst du.« Lucas hüpfte auf der Stuhllehne ganz nahe zu Markus. »Außerdem ist ein Lob fällig.«
»Ein Lob?« murmelte Markus, damit es die anderen nicht hören konnten.
»Ich weiß, was heute draußen am Strand los war und daß du mutig warst.«
»Mutig?«
»Ja, du hast Anne zur Umkehr bewogen. Dazu gehört Mut. Nicht die sind mutig, die alles riskieren, sondern die, die umkehren, wenn das Risiko zu groß ist.«
»Ich hab richtigen Muskelkater in den Armen«, sagte Markus laut, denn das konnten alle hören.
»Hast du zuviel im Sand gebuddelt?« fragte Kathrin boshaft.
»Nein, er ist heute ein langes Stück geschwommen«, sagte Mutter stolz. »Frau Käringer, die Mutter von Anne und Marie hat sie weit draußen gesehen.«
»Unsere bleierne Ente?« Kathrin platzte los und schüttelte sich vor Lachen. »Der geht doch sonst schon nach zehn Metern unter.«
»Nach bestenfalls sieben«, stellte Stefanie richtig.
»Ihr seid ja blöd.«
»Danke schön«, sagte Kathrin, »ich erinnere dich nur daran, daß du mein Bruder bist. Außerdem hast du in unserem Schwimmbad nie die fünfzig Meter geschafft.«
»Weil ich nicht wollte.«
»Hört sofort auf«, sagte Vater streng.
»Ich weiß, warum er die fünfzig Meter nicht schafft, weil er Spatzenmuskeln hat.«
»Nur die Ruhe bewahren«, rief Lucas von der Stuhllehne aus. »Schlag nicht hinüber, du triffst bestimmt nicht eine der Schwestern, sondern nur ein Saftglas oder die Blumenvase.«
»Ich hätte gute Lust, euch sofort nach oben zu schicken, auch dich, Stefanie, und dies vom halbvollen Teller weg. Wenn Frau Käringer sagt, Anne und er seien weit draußen gewesen, dann glaube ich ihr das, weil sie die beiden gesehen hat, und euch glaub ich nicht, denn ihr habt es nicht gesehen.«
»Vielleicht hatte er Schwimmflügel an den Armen.«
»Und ein Gummientchen um den Bauch...«
Herr Bergmann bekam weiße und rote Flecken auf den Wangen, aber er sagte nur ein Wort: »Hinauf! Ihr beide geht hinauf, sofort. Wenn ihr nicht Frieden halten könnt, dann geht ihr.«
»Aber er hat gesagt, daß wir blöd sind, er muß auch gehen«, maulte
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