Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
fassen konnte; aber meine Augen wollten noch zehren, und diese brauchten mehr zu Sättigung und ließen dann gern alles hängen und liegen.
    Endlich kamen wir in Cefalu an. Für große Schiffe ist hier wohl kein Hafen zum Aufenthalt. Der Ort hat vermutlich den Namen vom Berge, der einer der sonderbarsten ist. Wir hatten bisher die liparischen Inseln immer rechts gehabt, nun verschwanden sie nach und nach. Von Messina bis Cefalu ist es sehr wild; von hier an fängt die Kultur wieder an etwas besser zu werden. Es kommen nun viele Reisfelder. Bei Cefalu sah ich eine schöne, lange, hohe, herrliche Rosenhecke, deren erste Knospen eben zahlreich üppig aufbrachen. Diese Probe zeigte, was man hier schaffen könnte. Ich hätte dem Pfleger die Hände küssen mögen; es waren die ersten, die ich in ganz Unteritalien und Sizilien sah. Die Leute sind schändliche Verräter an der schönen Natur.
    In Termini erholte ich mich; hier findet man wieder etwas Menschlichkeit und Bequemlichkeit. Meine Wirtin war eine alte freundliche Frau, die alles mögliche tat, mich zufriedenzustellen, welches bei mir sehr leicht ist. Sie examinierte mich teilnehmend über alles, nur nicht über meine Religion, ein seltener Fall in Sizilien, stellte mir vor, was meine Mutter jetzt meinetwegen für Unruhe haben müßte, und riet mir ernstlich, nach Hause zu eilen; sie hätte auch einen Sohn auf dem festen Lande, den sie zurückerwartete. Wenn ihre Teilnahme und Pflege auch sehr mütterlich war, so war indessen doch ihre Rechnung etwas stiefmütterlich.
    Als ich in einer melancholisch ruhigen Stimmung über Vergangenheit und Gegenwart hing und mit meinem Mäoniden in der Hand aus dem Garten auf den Himerafluß hinabschaute, ward unwillkürlich eine Elegie in meiner Seele lebendig. Es war mir, als ob ich die Göttin der Insel mit noch mehr Schmerz als über ihre geliebte Tochter am Anapus klagen hörte, und ich gebe Dir ohne weitere Bemerkung, was aus ihrer Seele in die meinige herüberhallte.

Trauer der Ceres
    Meine Wiege, wie bist Du verödet, Du liebliches Eiland,
    Ach wie bist Du verödet, Du herrlicher Garten der Erde,
    Wo die Götter der Sterblichen einst den Olympus vergaßen!
    Zeus Kronion, Du Retter, o rette Trinakriens Schöne,
    Daß sie nicht endlich ganz mit der letzten Trümmer vergehe!
    Glühend rinnt mir die Träne, wie sie Unsterblichen rinnet,
    Rinnt mir schmerzlich die Träne vom Aug' beim Jammer des Anblicks.
    Wo, wo sind sie, die Kinder, die fröhlichen, seligen Kinder
    Meiner Liebe, die einst mit Tetrippen die Wege befuhren,
    Wo jetzt kaum ein ärmlicher Bastard des Langohrs hinzieht?
    Ach wo find ich die Männer von Akragas, von Syrakusä,
    Von Selinunt, die stolzen Söhne der stolzeren Väter,
    Welche die hohe Karthago bedrohten mit Macht und mit Reichtum
    Und die höhere Rom? Wo find' ich die Reihen der Jungfraun,
    Die die heiligen Züge mir führten in bräutlichem Glanze,
    Daß die Olympier selbst mit Scheelsucht neidisch herabsahn?
    Scharen von Glücklichen drängten sich einst aus marmornen Toren
    Durch die schattigen Haine der Götter, zu Traubengebirgen,
    Durch die reichen Gefilde, die ich bedeckte mit Garben.
    Eherne Krieger zogen zum Streit, dem Stolze des Fremdlings
    Furcht und Verderben; es hallte von Felsen zu Felsen das Schlachtwort,
    Für die Sache der Freiheit und für des Vaterlands Sache.
    Leben und Freude atmeten hoch vom Ätna zum Eryx,
    Vom Simäthus, dem Herdenernährer, zum fetten Anapus.
    Zeus Kronion, wenn ich mit Stolz die Gesegneten sahe,
    War ich die reichste Mutter und fühlte doppelt die Gottheit.
    Ach wie bist Du gefallen, mein Liebling, wie bist Du gefallen
    Tief in Jammer und Armut, Zerstörung und furchtbares Elend!
    Deine Städte, mein Stolz, sie liegen in Trümmern am Meere,
    Ihre Tempel verwüstet und ihre Odeen zerstöret,
    Ihre Mauern verschüttet und ihre Wege verschwunden
    Im Gefühl des unendlichen Werts des Menschengeschlechtes
    Schritten erhabene Söhne der götterbefreundeten Hellas
    Mächtig durch die Gebirge und schufen den Felsen zum Tanzsaal
    Gegenüber des Ätna ewigen Feuerhaupte.
    Jetzt durchwandelt die Tale der Jammer des bettelnden Volkes.
    Einsam, scheu, mit Hunger im bleichen, gesunkenen Auge,
    Nur mit schmutzigen Lumpen die zitternde Blöße behangen;
    Und im Antlitz furcht noch die Wut des heiligen Unsinns.
    Hymnen ertöneten einst den Göttern in glücklichen Chören
    Durch die Städte der Insel; melodisch pflügte der Landmann,
    Schnitt der Winzer und zog die Netze der

Weitere Kostenlose Bücher