Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
die Leute etwas leidlicher, ordentlich und vernünftig wären. Meiner ist der Katholizismus der Vernunft, der allgemeinen Gerechtigkeit, der Freiheit und der Humanität, und der ihrige ist die Nebelkappe der Vorurteile, der Privilegien, des eisernen Gewissenszwanges. Ich hoffte, wir würden einst zusammenkommen, aber seit Bonapartes Bekehrung habe ich für mich die Hoffnung sinken lassen. Dank sei es der Frömmelei und dem Mamelukengeist des großen französischen Bannerherrn, die Römer haben nun wieder Überfluß an Kirchen, Mönchen und Banditen. Er hat uns zum wenigsten wieder einige hundert Jahre zurückgeworfen.
Homo sum –
sagt Terenz; sonst könntest Du leicht fragen, was mich das Zeug anginge. Aber ich will den Faden meiner Wanderschaft wieder aufnehmen.
    Den letzten Tag in Neapel besuchte ich noch den Agnano und die Hundsgrotte. Schon Függer in Wien hatte mich gewarnt, ich möchte mich dort in Acht nehmen; allein im Mai, dachte ich, hat so ein Spaziergang wohl nichts zu sagen. Der Morgen war drückend und schwül, und über der Solfatara und dem Kamaldulenser Berge hingen Gewitterwolken. Alles ist bekannt genug; ich wollte nur aus Neugier das Lokale sehen und weiter keinen Hund auf die Folter setzen. Nachdem ich aber ungefähr ein Stündchen am See herumgewandelt war und mir die Lage besehen hatte, ward mir der Kopf auf einmal sonderbar dumpf und schwer, und ich eilte, daß ich durch die Bergschlucht wieder herauskam. Es war ein eigenes, furchtbares Gefühl, als ob sich alle flüssigen Teile mischten und die festen in sich auflösen wollten. Sowie ich mich von der Gegend entfernte, kehrte mein heller Sinn zurück, und es blieb mir nur eine gewisse Schwere und Müdigkeit von der Wärme. Eine eigene Erscheinung in meinem Physischen war es mir indessen, als ich gleich nachher in einem Wirtshause nicht weit von Posilippo aß, daß ich mir an einer eben nicht harten Kastanie auf einmal drei Zähne bis fast zum Ausfallen locker biß. Der Agnano und die Hundsgrotte kosten dich ein wenig zu viel, dachte ich, und tat schon Verzicht auf meine drei Vorderzähne. Aber Veränderung der Luft und etwas Schonung haben sie bis auf einen wieder ziemlich festgemacht; und dieser wird sich hoffentlich auch wieder erholen. Will er nicht, nun so will ich ihn der Hundsgrotte opfern.
    Von Rom nach Neapel war ich zu Fuß gegangen, von Neapel nach Rom fuhr ich der Schnelligkeit wegen mit dem neapolitanischen Kurier. Noch die Nacht fuhren wir über Aversa nach Kapua, und den Tag von Kapua nach Terracina. Anstatt einer attellanischen Fabel erzählte man uns in Aversa als wahre Geschichte, daß eben die Räuber vom Berge heruntergekommen wären und einen armen Teufel um sechzig Piaster erschlagen. In Fondi stahl ich mich mit etwas bösem Gewissen voraus, weil ich dem Herrn Zolleinnehmer nicht gern in die Hände fallen wollte. Dieser Herr hatte nämlich auf meiner Hinreise einen sehr großen Gefallen an meinem Seehundstornister bekommen, wollte ihn durchaus haben und bot mir bis zu drei goldenen Unzen darauf. Ich wollte ihn nicht missen, hatte seiner Zudringlichkeit aber doch einige Hoffnung gemacht, wenn ich zurückkäme; und jetzt wollte ich ihn ebensowenig missen. Wer bringt nicht gern Haut und Fell und alles wieder heil mit sich zurück? Durch die Pontinen ging es diesmal die Nacht, welches ich sehr wohl zufrieden war. Der Morgen graute, als wir in Velletri eintrafen. Nun kam aber eine echt italienische Stelle, über der ich leicht hätte den Hals brechen können.
    Ich habe die Gewohnheit, beständig vorauszulaufen, wo ich kann. Zwischen Gensano und Aricia ist eine schöne Waldgegend, durch welche die Straße geht. Oben am Berge bat der Postillon, wir möchten aussteigen, weil er vermutlich den Hemmschuh einlegen wollte und am Wagen etwas zu hämmern hatte. Der Offizier blieb bei seinen Depeschen im Wagen, und ich schlenderte leicht und unbefangen den Berg hinunter in den Wald hinein und dachte, wie ich Freund Reinhart in Aricia überraschen würde, der jetzt daselbst sein wollte. Ungefähr sieben Minuten mochte ich so fortgewandelt sein, da stürzten links aus dem Gebüsch vier Kerle auf mich zu. Ihre Botschaft erklärte sich sogleich. Einer faßte mich bei der Krause und setzte mir den Dolch an die Kehle; der andere am Arm und setzte mir den Dolch auf die Brust; die beiden übrigen blieben dispositionsmäßig in einer kleinen Entfernung mit aufgezogenen Karabinern. In der Bestürzung sagte ich halb unwillkürlich auf Deutsch zu

Weitere Kostenlose Bücher