Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Betrachtungen hierüber ebenso schlecht wie bei der Vergebung der Sünden. Wenn man das Ganze als ein Gewebe menschlicher Torheiten und Tugenden, als einen Kampf der erwachenden Vernunft mit den despotischen und hierarchischen Kniffen nähme, so wäre das Gemälde unterhaltend genug und als das älteste Dokument der Menschenkunde heilig; aber wozu dieses dem Volke, das davon nichts brauchen kann? Das Papsttum hat vielleicht keinen glücklichern Einfall gehabt, als dem Volke dieses Buch zu entziehen; wenn man ihm nur etwas reineres und besseres dafür gegeben hätte. Die Legenden der Heiligen aber und die Ausgeburten des Aberglaubens aus dem Mittelalter sind freilich noch viel schlimmer. Was den ersten heiligen Geboten der Vernunft widerspricht, das kann kein heiliger Geist als Wahrheit stempeln.
Von Bologna aus nahm ich meinen Tornister wieder auf die Schulter und pilgerte durch die große, schöne Ebene herüber nach Mailand. In Modena gefiel mir's sehr wohl, ohne daß ich den erbeuteten Eimer sah. Die Stadt ist reinlich und lebendig und lachend, die Wirtshäuser und Kaffeehäuser sind gut und billig. Ein ganzes Dutzend Tambours schlugen den Zapfenstreich durch die ganze Stadt, ohne daß ein einziges Bajonett dabeigewesen wäre. In der neuen Republik ist man wenigstens überall sicher; die Polizei ist ordentlich und wachsam, und alles bekommt ein rechtliches Ansehen. Massena, der hier kommandierte, ergriff eine herrliche Methode, Sicherheit zu schaffen. Einige Schweizer Kaufleute waren in der Gegend geplündert worden; der General hieß sie arretieren und die Sache strenge untersuchen; die Angabe war richtig. Nun wurden die Gemeinheiten, in deren Bezirke die Schurkerei geschehen war, gezwungen, das Geld zu ersetzen, und man ließ die Fremden ziehen. Ich finde darin, wenn es durchaus mit Strenge und Genauigkeit geschieht, keine Ungerechtigkeit. Wenn man die Räuber hübsch ordentlich henkte und eine Kasse zur Wiedererstattung wie die Brandkasse anlegte, das würde die öffentliche Sicherheit recht sehr befördern.
In Reggio lag ein polnisches Bataillon, und ein Unteroffizier desselben, der am Tore die Wache hatte und ein Anspacher war, freute sich höchlich, wieder einen preußischen Paß zu sehen, den ich mir von dem preußischen Residenten in Rom hatte geben lassen, weil ich ihn mit Recht zu meiner Absicht für den besten hielt.
Nun wollte ich den Abend in Parma bleiben und einen oder zwei Tage dort ausruhen und Bodoni sehen, an den ich Briefe von Rom hatte. Aber höre, wie schnurrig ich um das Vergnügen gebracht wurde! Am Tore wurde ich den achten Juni mit vieler Ängstlichkeit examiniert und sodann mit einem Gefreiten nach der Hauptwache geschickt. Ich kannte die Bocksbeutelei, ob sie mir gleich auf meiner Wanderung hier zum ersten Male begegnete. Unterwegs freute ich mich über die gutaussehenden Kaffeehäuser und saß schon im Geist bei einer Schale Eis, denn ich hatte einen warmen Marsch gehabt. Die Parmesaner saßen gemütlich dort und schienen viel Bonhommie zu präsentieren; nur hier und da zeigte sich ein breites, aufgedunsenes Gesicht, wie ihr Käse. Auf der Hauptwache las der Offizier meinen Paß, rief einen andern Gefreiten und befahl ihm, mit mir zu gehen. Ich glaubte, ich sollte zu dem Kommandanten gebracht werden, und hoffte schon auf eine ähnliche Bewirtung wie in Augusta in Sizilien. Aber der Zug dauerte mir sehr lange; ich fragte und erfuhr nun, ich müßte zum Tore hinaus, ich dürfte nicht in der Stadt wohnen. Es war mir gleich aufs Herz gefallen, als ich auf dem Markte die Grenadiere so schön gepudert sah. Die Kerle trugen hinten Haarwülste, so groß wie das Kattegat. Ich forderte, man sollte mich zum Kommandanten bringen.
»Ma, mio caro, non posso mica«;
sagte mein Begleiter. Ich drang darauf.
»Ma, mio caro, non sapete il servizio; questo non posso mica.
« Ich alter Kriegsknecht mußte mir die Sottise gefallen lassen. Warum hatte ich mich vergessen? Der Mensch hatte Recht. Wir kamen ans Tor, und ich fragte den Offizier, indem ich ihm meinen Paß wies, ob das eine humane Art wäre, einen ehrlichen Mann zu behandeln. Er sah mich an, sagte mir höfliche Worte und berief sich auf Befehl. Ich verlangte noch einmal, zum Kommandanten gebracht zu werden; ich wollte hierbleiben, ich hätte Geschäfte. Er zuckte die Schultern; ein alter Sergeant, der ein etwas liberaleres Antlitz hatte, meinte, man könnte mich doch hinschicken; der Offizier war unschlüssig. »
Ma, mio caro, non possiamo
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