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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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zeigt, in einem der angenehmsten Täler, nicht sehr weit vom Meere. Der Weg von Terracina dahin ist abwechselnd fruchtbar und lachend, durch hohe Felsen und fruchtbare Felder. Nicht weit von Fondi sollen, glaube ich, links an den Bergen noch die Überreste von der Villa des Nerva zu sehen sein. Ich hielt mich aber an die Orangegärten und vergaß darüber den Kaiser, die alten Stadtmauern, den See, den heiligen Thomas und alle andere Merkwürdigkeiten. Noch einige Fillien nach Itri hinaus ist die Gegend zwischen den Bergen ein wahres Paradies. Auf der Hälfte des Weges stand in einem engen Felsenpasse eine Batterie aus dem vorigen Kriege, wo die Franzosen tüchtig zurückgeschlagen wurden. Sie suchten sich aber einen andern Weg über die hohen Berge; ein Einfall, von dem die Neapolitaner sich gar nichts hatten träumen lassen! Das war eine etwas zu gutmütige Zuversicht; man tut besser zu glauben, daß die Feinde alle Gemsenjäger sind, und in einer Entfernung von sechs deutschen Meilen ist es nie unmöglich, daß sie die Nacht noch kommen werden. Die Neapolitaner sahen den Feind im Rücken und liefen über Hals und Kopf nach Kajeta. Itri war von den Franzosen häßlich mitgenommen worden. Man hatte die Kirchen verwüstet und Pferdeställe daraus gemacht. Das ist nun freilich nicht sehr human, von Religiosität nichts zu sagen. Der Ort liegt in einer Bergschlucht tief begraben. Es standen hier nur wenige Soldaten zur Polizei, deren Kommandant, ein ehemaliger österreichischer Sergeant, jetzt neapolitanischer Fähnrich war, der uns die Ehre tat, mit uns einige Stunden Wein zu trinken. Mein Franzose hatte keine Schuhe mehr, ich mußte ihm also doch Schuhe machen lassen. Den Morgen darauf konnte er nicht fort, weil seine Füße nicht mehr im baulichen Wesen waren, und ich wollte nicht bleiben, er suchte mich überdies zu überreden, ich möchte mit ihm von Kajeta aus zur See gehen, weil er den Landweg nicht aushalten würde. Das ging für mich nun nicht, denn ich wollte über den Liris hinunter nach Kapua und Kaserta. Ich gab ihm also zu dem Ausgelegten noch einen Kaiserdukaten, quittierte in Gedanken schon, übergab ihn und mich dem Himmel und wandelte allein ab. Fast hätte ich vergessen, Dir eine etwas ernsthafte Geschichte von Itri zu erzählen, nämlich ernsthaft für mich. Itri ist ein Nest; das Wirtshaus war schlecht. Unsere Wirtin war eine ziemlich alte Maritorne, die ihren Mann in der Revolution verloren und sich zur Haushaltung und den übrigen Behufen einen jungen Kerl genommen hatte. Ich legte mich oben auf einem Saale zu Bette, und mein Kamerad zechte unten noch eins mit dem Herrn Fähnrich Kommandanten, der wiedergekommen war, und kam mir sodann nach. Er war etwas über See und schlief sogleich ein; ich philosophierte noch eins topsyturvy. Da hörte ich unten einen wilden Kerl nach dem andern ankommen und sehr laut werden. Die Anzahl mochte wohl bis zehn oder zwölf gestiegen sein. Nun vernahm ich, daß es über unsere armen Personalitäten geradezu herging, und daß man über uns eine ziemlich furchtbare Nachtinquisition hielt.
»Sono cattiva gente
« hieß es in einem hohen Ton ein Mal über das andere; und man tat mehr als einmal den Vorschlag, mit uns zu verfahren nach der Neapolitaner Revolutionsweise. Mein Franzose schnarchte. Du kannst denken, daß mir nicht sonderlich lieblich dabei zumute ward. Man schlägt hier zum Anfang sogleich die Leute tot und macht sodann nachher – eben weiter keinen Prozeß. Die alte Dame, unsere Wirtin, nahm sich unser mit einem exemplarischen Mut an, sprach und schrie was sie konnte und behauptete, daß wir ehrliche Leute wären, der Kommandant hätte unsere Pässe gesehen. Nun schien man zum Unglück dem Kommandanten selbst in der Politik gerade nicht viel Gutes zuzutrauen. Der Himmel weiß, wie es noch möchte geworden sein. Ich zog ganz stille Rock und Stiefeln an, nahm meine ganze Kontenanz und mein ganzes bißchen Italienisch zusammen und machte Miene, die Treppe hinab unter sie zu gehen. »Meine Herren«, sagte ich so stark und bestimmt als ich konnte, »ich bin ein fremder Reisender; ich dachte, im Wirtshause, wo ich bezahle, dürfte ich zur Mitternacht Ruhe erwarten. Ich höre, ich bin Ihnen verdächtig. Führen Sie mich vor die Behörde, wohin Sie wollen, aber machen Sie die Sache mit Ernst und Ruhe und als ordentliche brave Leute ab!« Es ward stiller; die Wirtin und einige von ihnen baten mich, oben zu bleiben, welches ich natürlich sehr gern tat; und nach

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