Speichelfaeden in der Buttermilch
der Dusche einem 63jährigen Wärter zur Verfügung gestellt, der mich noch vom Fernsehen und von News , von früher, kannte. Habe danach meine täglichen Bittbriefe an die Fellner-Brüder geschrieben. Lege die Briefe hier meinem Tagebuch bei. »Lieber Wolfgang und der andere Fellner! Ich liebe Sie, und ich halte Ihre Zeitschriften für die besten im gesamten deutschsprachigen Raum. Ich sende Ihnen eine Polaroid-Aufnahme, die mich in der Dusche mit einem 63jährigen Wärter zeigt. Ich bin der, der sich bückt, und war, bevor Sie Auftrittsverbot verhängt haben gegen uns, einer der größten im Geschäft. Sie dürfen als Bildunterschrift schreiben, was sie wollen, aber schreiben Sie bitte, bitte was!«
19.4.2012
Habe mit Entsetzen festgestellt, dass ich jetzt nicht mal mehr in der Liste der 5000 wichtigsten Kabarettisten Österreichs bin! Meine Mutter hat mich beim letzten Besuch nicht reingelassen. Sie hat mich vom Balkon aus bespuckt und gerufen: »Über dich Trottel steht in News nichts, du bist nicht mehr mein Sohn!« Ich bin völlig am Ende. Ich kriege keine U-Bahn-Fahrkarte mehr, habe überall Lokalverbot, darf nicht in den Zoo, alle Frauen lachen über mich, und die vereinigten Friedhöfe Wiens haben mitgeteilt, dass sie mich bei meinem Ableben nicht bestatten werden. Selbst der Friedhof der Namenlosen macht da mit. Ich hätte nie gedacht, dass News so viel Macht hat. Dabei hab ich doch alles versucht! Ich hab mich mit versteckter Kamera im Puff fotografiert, hab Koksdealer bestochen, dass sie News gegenüber eidesstattlich aussagen, mich zu beliefern, hab eine Fotomontage gebastelt, auf der ich Jörg Haider auf den Mund küsse! Nicht mal die haben sie gedruckt. Die wollen mich offensichtlich fertigmachen, mich buchstäblich tot schweigen.
20.4.2012
Heute ist Hitlers Geburtstag. Ich habe mich als Adolf Hitler verkleidet und mit einem Champagnerglas fotografieren lassen. Das Foto schickte ich an News , samt Bildunterschrift »Irre! Führer lebt und feiert groß! Adolf Hitler lebte jahrelang unerkannt in Österreich und machte unter dem Pseudonym Dirk Stermann große Karriere im ORF . Unglaublich, aber wahr: Adolf Hitler bekam vor zehn Jahren den ›Salzburger Stier‹!« Auch diese Geschichte wurde nie gedruckt. Ich bin ratlos und verzweifelt, und trotte in diesem Moment in die Dusche, wo mein 63jähriger Freund auf mich wartet. Er ist der Einzige, der mich noch wahrnimmt und berührt. Wenn auch nicht mit seinen Händen, so doch mit seiner heißen Leibesmitte. Ich giere nach Zärtlichkeit und öffentlicher Anerkennung.
Die Songcontest-Tagebücher
12.10.2000
Habe Grissemann vor vier Tagen das letzte Mal an der Bar gesehen. Stehe seither alleine hier am Tresen und vertreibe mir das Warten durch stilles, ausgeklügeltes Trinken. Aber das »Ausgeklügelte« funktioniert nicht so recht: fürchte, ich bin sturzbetrunken und somit ein willfähriges Opfer unzähliger Manager, Blumenverkäufer und Versicherungsvertreter. Da sich bei mir alles dreht, unterschreibe ich jeden Zettel sofort, damit die Herren weggehen. Ein ganzer Stapel von mir unterzeichneter Verträge liegt vor mir in einer Bierpfütze.
14.10.2001
Stermann hat zwei Hanggrundstücke gekauft und einen ausrangierten Sessellift, eine Palette Rentierschinken, vier Furche -Abos und einen mobilen Obststand. Ich hätte ihn nicht alleine zurücklassen sollen, er verträgt nichts, und betrunken ist es immer dasselbe mit ihm. Am meisten aber erstaunte mich, dass ich seine und meine Unterschrift unter einem Plattenvertrag fand. Er hat meine Unterschrift gefälscht. Scheinbar müssen wir beide beim Songcontest antreten. Stermann ist wahnsinnig! Laut meinem Anwalt haben wir keine Chance, aus dem Vertrag auszusteigen. Nüchtern tut es Stermann jetzt natürlich leid. Er hat am Telefon die Plattenfirma Universal angejammert und angefleht, aber die haben nur gelacht. Stermann wollte sich, so wie George Michael, »slave« auf die Wange schreiben. Er war aber wieder betrunken. Jetzt steht mit Kajal geschrieben auf seiner Wange »Slawe«. Ich freu mich schon, wenn er mit seiner Wange in Kärnten auftritt!
29.10.2001
Wir waren heute das erste Mal im Studio. Das » RIAS -Rundfunkorchester« und das »Alban Berg Quartett« warteten dort, um mit uns unseren Songcontest-Beitrag aufzunehmen. Wir selber wurden von Universal-Manager Walter Groebchen in einem von innen und außen versperrten Auto hingebracht, selbstredend gegen unseren Willen. Aber niemand hörte unsere
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