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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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aus wie Judith von »Wir sind Helden« oder noch viel besser. Und dann wäre da noch das Redaktionsküken Albert, 19 – hätte das Zeug zum Nobelpreisträger in allen erdenklichen Kategorien, will aber unbedingt bei FM4 arbeiten, wo er – dieser Sender ist bettelarm – weniger verdient als eine Wasserleiche. Er sieht im übrigen auch ein bischen so aus, wenn er schläft.
    Tja, von all diesen bemitleidenswerten, bizarren Kreaturen soll von nun an die Rede sein. Bis morgen, liebes Tagebuch.
    29.12.
    Liebes Tagebuch, durch den unglaublichen finanziellen Engpass wird bei FM4 das Büromaterial langsam knapp. Wir haben kein Blatt Papier mehr. Die Moderatoren müssen ihre Kommentare auf die blanken Rücken ihrer armen Kollegen schreiben, um sie dann abzulesen. Auf dem Rücken von Redakteur Zsutty steht aktuell gerade eine »Chicks on Speed«-Plattenkritik. Auf Geheiß von Wortchef Pieper muss Zsutty seinen Rücken schleunigst wieder löschen, weil man ihn für eine Rezension des neuen Bejamin Lebert-Buchs braucht. Dafür hat er wahrlich nicht Journalismus studiert, der liebe Zsutty, um dann als fleischgewordenes Manuskript bei FM4 zu landen.
    FM4 konnte zum ersten Mal die Stromrechnung nicht bezahlen. Es herrscht absolute Dunkelheit hier, auch am Tag, weil das FM4- Großraumbüro fensterlos ist. Die aufopfernde Kollegin Unterweger hat als kleine Hilfe sechs Glühwürmchen im Büro ausgesetzt, damit die Moderatoren sich ins Studio tasten können. Das fehlende Rotlicht erschwert den punktgenauen Einsatz der Moderatoren erheblich. Wir arbeiten »on air« nur mehr nach Gefühl. Im Dunklen bin ich gerade gegen einen Nachrichtensprecher gelaufen. Er muss ins Studio. Er hofft, es ist genau 17 Uhr, aber beschwören könnte er es nicht.

2004
    3.1.
    Liebes Tagebuch, in einer internen Mitteilung heißt es, FM4- Mitarbeiter hätten »Probleme, Hierarchien zu erkennen und zu akzeptieren«: Um unser Obrigkeitsdenken zu trainieren, hat Chefin Eigensperger demokratisch Folgendes entschieden: Jeder FM4- Mitarbeiter muss fortan während der Arbeit ein Tier an der Leine führen, das seiner Stellung im Unternehmen entspricht. Je höher die Position im Sender, desto größer das Tier an der Leine. Chefcontroller Blumenau führt seit heute ein senegalesisches Riesenmammut durch die Redaktion, während Stermann Probleme hat, seinem Zeck ein Halsband umzulegen. Die Leute von der »Morning Show« haben immerhin Zwergziegen, Musikchef Makossa hat einen Kakadu auf der Schulter sitzen. Die Kollegen von »Projekt X« haben Regenwürmer an der Leine. Mir wurde ein Blutegel zugewiesen, der immerhin dreimal größer ist als Stermanns Zeck. Ich bin also eigentlich ganz zufrieden. Wenn Senderchefin Eigensperger mit ihrem Dienstwagen nachhause fährt, trampelt eine 200köpfige Elefantenherde hinterher. Dieser fürchterliche Gestank hier! Ich halt das alles nicht mehr aus, aber: You're not at home, baby, you're at work.
    Liebes Tagebuch, Ich stoße an meine eigenen Grenzen. Vor vier Stunden gab die Chefin über Lautsprecher bekannt, dass heute abend um 20 Uhr im ungeheizten Kantinenzelt jeder Mitarbeiter mit seinem Tier ein Kunststück aufführen muss, um seine Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen. Im Radio läuft nur noch Musik vom Band, weil jeder Redakteur mit seinem Tier arbeitet. Die Zwergziegen von Larkin und Freemann können bereits jetzt ganz passabel Sackhüpfen. Der Kakadu von Makossa geht in einer kleinen Lufthansa-Stewardessen-Uniform mit einem Tablett durch die Gänge und fragt ständig: »Tee? Kaffee? Tee? Kaffee?« Martin Blumenaus Mammut kann »My Bonnie Is Over The Ocean« pfeifen. Selbst Grissemanns blöder Blutegel kann mit verbundenen Augen aus einem verdeckten Kartenspiel die Pik Acht herausziehen. Ich fürchte, um 8 werden nur ich und mein Zeck überhaupt nichts können. Er schafft es einfach nicht, die Forellen von La Boum de Luxe zu filetieren … Zwei, drei Gräten übersieht er immer.
    4.1.
    Liebes Tagebuch, Krisensitzung. Musikchef Makossa hat den verängstigten Mitarbeitern mitgeteilt, dass sich im FM4- Musikarchiv nur noch zwei Platten befinden, nämlich »Morning Has Broken« von Cat Stevens und die alte DDR -Nationalhymne. Damit, meinte er sorgenvoll, sei es fast unmöglich, ein abwechslungsreiches Musikprogramm zu gestalten, aber er tue sein Bestes. Grund für die Musikknappheit ist der unglaubliche Kokskonsum der ganzen Musikredaktion. Sie haben tatsächlich im Laufe des Jahres über 25.000 CD s am Flohmarkt

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