Spekulation in Bonn
Freiberg und Lupus sahen gleichzeitig, wie der Erwartete ausstieg und mit dem Ausweis in der Hand auf eine Gruppe von drei Männern zuging, welche am Eingang die Einladungskarten kontrollierten. Einige Worte wurden gewechselt, und Fischbach durfte, gemeinsam mit anderen Wartenden und kamerabehängten Pressevertretern, das Eintreffen der Gäste beobachten.
»Ein cleveres Kerlchen ist das«, stellte Lupus anerkennend fest. »Aber so haben wir ihn auf dem Präsentierteller.«
Die Autos kamen in schnellerer Folge; die Wagentypen wurden teurer, die Herren gesetzter und die Damen begangener.
Möglicherweise hatten sich die Gäste von dem Bankett in der Redoute etwas mehr erhofft als festliches Essen und hehre Worte über die völkerverbindende Kraft der Wirtschaftsbeziehungen in Frieden und Freiheit. Jedenfalls kamen sie mit Orden an der Brust und Damen an der Seite in nicht unerheblicher Zahl, wodurch die Wirkung der am Leibe getragenen Schöpfungen der Haute-Couture leider sehr relativiert wurde. Die runden dunklen Schönen in der Landestracht liefen allen Modemachern den Rang ab. Der im Urlaub abgespeckte Bundeskanzler und seine Gattin wurden mit einem Blitzlichtgewitter empfangen. Sie waren gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um den Staatsgast zu begrüßen.
Nur ganz aufmerksame Beobachter konnten erkennen, daß sich hinter den Gaubenfenstern die Köpfe von Sicherheitsbeamten bewegten.
Als das »ganz große Tier« in einem ganz großen Wagen, einem in Stuttgart geliehenen Mercedes 600, vorfuhr, sah man dort oben auch einige Gewehrläufe blitzen. Heute war nicht nur mit »selbstgemachten« Terroristen, sondern auch mit Killerkommandos aus dem fernen Land zu rechnen. Da sich der Ministerpräsident schon aus Gründen der hohen Selbsteinschätzung als gefährdet ansehen mußte, stieg er trotz seiner Beleibtheit sehr behende aus und ließ sich an der Seite einer Dame in bunter Landestracht von seinen Bodyguards durch das verglaste Entree in die Empfangshalle schieben.
Wer dort wen begrüßte, konnten Freiberg und Lupus nicht mehr wahrnehmen. Aber sie stellten fest, daß Kai Fischbach bei seiner Suche nach Wanitzky kein Glück gehabt hatte.
Mit dem Eintreffen weiterer Teilnehmer am Bankett war wohl kaum mehr zu rechnen. Kein guterzogener Gast möchte später als der Ministerpräsident erscheinen.
Die Gruppe der Wartenden löste sich auf. Da Journalisten während des Essens nicht zugelassen waren, zogen sie bald ab und nahmen die Gelegenheit wahr, sich gleich nebenan im »Redüttchen« auf Kosten der Gastgeber einen kleinen Imbiß zu gönnen.
Kai Fischbach wartete noch einige Minuten, bis er schließlich allein vor dem Portal stand. Dann ging er langsam mit den abziehenden Sicherheitskräften zur Kurfürstenallee.
Freiberg sagte zu Lupus: »Häng dich dran! Ich will mich vorsichtshalber beim Protokoll erkundigen, ob der Wanitzky wirklich nicht in der Liste steht. Der müßte doch erfaßt sein, wenn unser Mann ihn hier erwartet. – Wir treffen uns dann am Wagen.«
Lupus folgte Fischbach, der zu dem für dieses Ereignis besonders eingerichteten Taxistand am Rathausparkplatz hinüberging.
Um nicht unentwegt Erklärungen abgeben und seinen Ausweis zücken zu müssen, ließ Freiberg sich von einem Oberkommissar der Schutzpolizei in die Redoute geleiten. Die Gäste hatten sich in den großen Festsaal begeben; die Türen wurden geschlossen.
Die im Foyer zurückgebliebenen dunklen Bodyguards öffneten gelegentlich den Knopf vom Jackett und ließen das Lederzeug mit den wüsten Kanonen unter der Achsel hervorlugen. Derartige Schaustellungen hatten sich die Vertreter der deutschen Sicherungsgruppe längst abgewöhnt, weil sie wußten, daß den Terroristen mit Imponiergehabe nicht beizukommen war.
In der Nähe eines kleinen Tisches, auf dem die Faltkarten für die Sitzordnung gelegen hatten, traf Freiberg wieder auf den Vertreter des Protokolls, der ihm vor wenigen Stunden auf der Godesburg die Frage nach Wanitzky negativ beantwortet hatte.
»Na, Herr Kommissar«, sagte er jetzt lächelnd, »immer noch auf der Suche nach dem großen Unbekannten – wie war doch sein Name?«
»Johann Wanitzky! Den muß es geben. Draußen hat ein Geschäftsfreund auf ihn gewartet – allerdings genauso vergeblich wie wir. Würden Sie bitte noch einmal die Teilnehmerliste durchsehen?«
»Aber gern, wenn Sie es für erforderlich halten«, sagte der Mann vom Protokoll. »Schauen Sie, die Anwesenden sind abgehakt. Unter ihnen ist kein
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