Spekulation in Bonn
bestätigt?«
Freiberg winkte ab. »Mich interessiert im Augenblick viel mehr, wo sich Johann Wanitzky, alias Lad Wany? – vernimm mein Fragezeichen – in der Mordnacht aufgehalten hat.«
»Wenn der den Anruf bestätigt, haben beide ein Alibi«, resümierte Lupus mit Bedauern.
Freiberg hatte diese Möglichkeit ebenfalls durchdacht. »Du sagst es: ein schönes abgestütztes Alibi unter Ehrenmännern. – Und das erfreut die Polizei ganz besonders.«
Lupus nahm den Gedanken auf. »Es gibt einfach zu viele Ehrenmänner in Bonn – und zu viele gute Alibis.«
Kurz vor Mitternacht kam die Abschlußmeldung von Ahrens herein. Sie führte in der Sache nicht weiter, hatte aber eine kleine Pointe: »Am ›Dohlenhaus‹ ist alles wie erwartet gelaufen. Kai Fischbach hat sich wieder in die Taxe gesetzt. Wir sind ihr nachgefahren – und wo sind wir gelandet? Vor der Wohnung von Frau Nikols in der Hausdorffstraße. In dem Haus hat schon unsere Marianne Richter gewohnt, die nach der Affäre Erlenborn so blitzschnell verschwunden war. Peters und ich haben uns damals nächtelang die Beine in den Bauch gestanden. – Soll jetzt wieder observiert werden?«
»Nein«, sagte Freiberg, »fahrt nach Hause, morgen wird weitergebastelt.«
14
Die Politiker hatten schon am Freitag ihr »Wasserwerk« im Stich gelassen. In diesem Provisorium hockten die Volksvertreter während des Umbaus des alten Plenarsaals auf schmalen Ledersesseln so eng zusammen, daß jede Zwischenbemerkung der Opposition wie eine tätliche Beleidigung wirkte. Also nahm man nach der Eintragung in die Anwesenheitsliste den frühen Intercity und ließ sich im heimatlichen Wahlkreis lieber seine Wichtigkeit bestätigen.
Die höhere Ministerialbürokratie war mit der gleitenden Arbeitszeit nach dem Vorbild der MdBs ebenfalls in das verlängerte Wochenende geglitten. Gerüchte besagten, daß im Kanzleramt gearbeitet wurde. Fest stand aber nur, daß Demonstranten und Polizisten von der Stadt Besitz ergriffen hatten.
An diesem Sonnabend herrschte im Polizeipräsidium größte Geschäftigkeit. Im Lagezentrum wurden quadratmetergroße Stadtkarten in die richtige Position geschoben. Am Videomischpult schaltete ein Oberkommissar die Übersichtsaufnahmen des Polizeihubschraubers auf den Monitor. Kameras projizierten die ersten Bilder aus der Umgebung der gefährdeten Objekte auf die Lagekarte.
Im Nebenraum, in der Einsatzleitstelle, waren schon acht Fernmeldetische besetzt. Jedes Gespräch, jede Meldung und jede Weisung wurde auf Revoxbänder aufgezeichnet und von CEBIs Elektronengehirn erfaßt. Ein unsichtbares Netz von Funkstrahlen lag über der Stadt am Rhein. Dieses Netz war dicht genug, um die Demonstration nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko werden zu lassen, aber seine Maschen würden immer zu grob sein, um Mord und Totschlag verhüten zu können.
Kommissar Freiberg wußte, daß mit statistischer Regelmäßigkeit in jedem Jahr etwa ein Dutzend solcher Fälle aufzuklären waren. Daran hatte auch CEBI, die Computerunterstützte Einsatzleitung, Bearbeitung und Information, nichts ändern können. Es tröstete vor allem Lupus ein wenig, daß sein von Herzen gehaßter »elektronischer Blödmann« auch keine Wunder vollbringen konnte. Gefragt waren im 1. Kommissariat immer noch das Fachwissen und der gesunde Menschenverstand.
Heute durfte allerdings an der Funktionsfähigkeit der kleinen grauen Zellen der Gesprächspartner, die aus dem Fenster von Zimmer dreihundertsechs in die Sonne blinzelten, stark gezweifelt werden. Das Blinzeln diente nicht nur dem Schutz vor dem Licht, sondern war auch ein Zeichen des Kampfes gegen die Müdigkeit.
Kommissar Freiberg versuchte, seinen Kater mit Mineralwasser zu ertränken. Sabine hatte um Mitternacht darauf bestanden, daß er schnellstens eine Nachfüllung vornahm, um seinen Alkoholspiegel auf den ihren einzupendeln. Die Wirkung war verheerend gewesen – nicht nur im Kopf. Als nach dem Abgang der Gäste Standfestigkeit gefragt war, hatte Waldi alle viere von sich gestreckt und war eingeschlafen. Sabine hatte darüber abermals den Kultusminister verflucht und auf bessere Zeiten mit Big Mäc gehofft.
Lupus hatte nach einem stimmungsvollen Bericht über die schwarzen Schönheiten in der Redoute seiner Helga verdeutlicht, daß eine Verminderung der Kalorienzufuhr weder für ihn noch für sie die richtige Medizin sein konnte.
Ahrens und Fräulein Kuhnert blinzelten, weil sie intensive Überstunden
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