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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Arbeitsplatz. Der Leichen- und Ermittlungsbericht endete mit der Schlußfolgerung: »Selbsttötung, bei der ein Fremdverschulden auszuschließen ist.«
    Ein Vermerk, der drei Monate nach der Tat »z. d. A.« gelangt war, besagte, daß die zusätzlichen Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes keinen begründeten Verdacht einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit ergeben hätten. Die vom Referenten für Datensicherheit Doktor Korbel vermutete Leichtfertigkeit Benkers im Umgang mit geheimem Datenmaterial betreffend die Logistik der Bundeswehr, habe nicht bewiesen werden können. Auslandsreisen B.s nach Frankreich, Belgien und in die Niederlande hätten entweder einen dienstlichen Anlaß (Besprechungen im NATO-HQ) oder private Gründe (Urlaub mit Familie) gehabt.
    Fünf DIN-A4-Seiten mit einem Zusatzvermerk; das war nicht viel für ein Menschenleben. Freiberg strich langsam mit den mittleren drei Fingern der linken Hand über seine Stirn. Irgendwo im Kopf spukten noch einige Geister des Weins herum, doch der Ermittlungsschock in der Koordinata-Bonn hatte die Denkwege wieder freigelegt. – Wie hatte ein von ihm hochgeschätzter älterer Lehrer in der Vorlesung über Kriminologie doziert: »Verbrechen entstehen im Kopf, und sie müssen auch im Kopf geklärt werden.«
    Was hatte Rolf Benker gedacht und gewollt? – Sich einfach so erschießen, weil es beruflichen Ärger gegeben hatte? – Das sicher nicht! Ein Mensch in den besten Jahren war er, Computer-Wissenschaftler und Diplom-Ingenieur, Beamter der Bundeswehr. Doch irgendwo mußte er auf seinem Karriereweg ins Stolpern geraten sein. Aber Frau und Kind zurücklassen wie ausgesetzte Hunde vor der Urlaubsreise? – Nein, zu unwahrscheinlich! Noch einmal glitten die drei Finger über die Stirn. »Depressionen wegen Schwierigkeiten am Arbeitsplatz – oder Kalkül eines Mannes, der keinen Ausweg mehr sah?«
    Lupus saß ganz still auf dem Stuhl neben der Tür und wartete auf die in Worte gefaßten Überlegungen seines Kommissars. Auch Ahrens am Besuchertisch rührte sich nicht.
    Die erste Frage Freibergs überraschte dann doch: »Was stellt ihr euch unter einer gepflegten Villa am Stadtrand von Remagen vor?«
    Lupus hob den Kopf und kniff nach einer Antwort suchend die Augen zusammen. »… gepflegte Villa? – Zum Beispiel so etwas, wie wir jetzt in Plittersdorf haben, oder? – Was Teures in jedem Falle.«
    »Richtig! – Und was hältst du vom Gehalt eines Oberregierungsrats?«
    »Wenig, besonders dann, wenn er davon solch ein Haus bezahlen muß. – Wir haben ja geerbt.«
    »Siehst du«, brummte Freiberg mehrdeutig und schlug ein Blatt der ›Leichensache Rolf Benker – Suizid‹ um. »Was würde passieren, wenn man diesem Beamten das hätte nachweisen können, was der MAD als vermutete Leichtfertigkeit im Umgang mit geheimem Datenmaterial bezeichnet hat?«
    Lupus preßte mit einem leisen Zischen die Luft durch die Zähne. »Schh – Disziplinarverfahren, Suspendierung und schließlich Rausschmiß mit Verlust aller Rechte.«
    Freiberg nickte. »Und was passiert, wenn man sich in einem solchen Fall rechtzeitig erschießt?«
    Ahrens reckte aufmerksam den Kopf vor, als Lupus antwortete: »Witwe und Kind sind versorgt wie beim Tod eines Pensionärs. – Oha, mein lieber Walter, bei dir klicken da oben ja wieder einiges recht intensiv. – Aber was, zum Teufel, sollte dahinterstecken? So ein Kopfschuß ist doch kein Kinderspiel.«
    »Eben«, sagte Freiberg und setzte seine Überlegungen fort: »Unterstellen wir mal, alle Andeutungen seien wahr – alle.«
    Lupus lief ein Schauder über den Rücken. Er schwieg. So wie in diesem Moment wurde ihm sein Kommissar manchmal unheimlich. In dessen Kopf ging mehr vor, als man nach seinem freundlichen Äußeren und dem harmlos jungen Gesicht vermuten konnte.
    Freiberg gab die Antwort selbst:
    »Wenn wir alles als wahr unterstellen, dann hat sich Benker erschossen, weil er vermuten mußte, daß der für die Datensicherheit verantwortliche Doktor Korbel ihm bei einer Riesensauerei auf die Schliche gekommen war und daß die Bombe bald hochgehen würde.«
    »Chef, Vorsicht! Ich halte mich an deine Worte: Wo sind die Fakten, und wie wollen wir auf diesem Wege weiterkommen?«
    Freiberg tippte mit dem rechten Zeigefinger mehrmals an seine Schläfe und sagte fast beschwörend: »… mit dem Kopf. – Könnte nicht das Motiv für Benkers Selbstmord für uns der Zauberschlüssel im Fall Korbel sein? Da wir nicht zaubern können, laßt

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