Spekulation mit dem Tode Kommissar Morry
würde er tun. Es war nicht das erste Mal, daß man etwas Derartiges von ihm verlangte. Der Zettel mit dem Geldschein verschwand in seinem goldbetreßten Mantel. Seine Finger prüften die Größe der Banknote — er war zufrieden. Der Kerl ließ sich jedenfalls nicht lumpen.
„Geht in Ordnung", grinste er.
„Sie ist doch noch hier?" fragte Hayes, bevor er losfuhr.
„Ich werde gleich mal nachsehen, einen Augenblick."
Schneller, als man es ihm zugetraut hätte, verschwand er durch die Drehtür. Nach wenigen Augenblicken tauchte er wieder auf und nickte. Hayes fuhr los. An Nora dachte er nicht mehr, und schon bald zerfloß das Bild der blonden Allison vor seinen Augen. Dafür sah er Simon und Snuffy ganz deutlich vor sich, vor allem Simon.
,Wir kriegen dich, Hayes', hörte er ihn sagen. ,Du wirst keinen Schritt tun, den wir nicht beobachten! Nun, sie würden sich täuschen. Simon mußte auch mal schlafen und Snuffy war kaum noch gefährlich. Dieser glaubte schon nicht mehr an seine Schuld. Trotzdem fühlte sich Hayes nicht wohl. Seine zerschlagene, aufgeplatzte Haut brannte. Er hielt einen Augenblick sein Taschentuch in den feinen Regen hinaus und kühlte dann sein Gesicht. Vor seiner Wohnung angekommen, ließ er den Buick auf der Straße stehen und fuhr ihn nicht in die Garage. Das Haus war bereits dunkel. Ellen würde schlafen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war jetzt ein Viertel vor zehn. Je näher er seiner Wohnungstür kam, um so wacher wurden seine Sinne. Er versuchte seine Niederlage zu vergessen. Sie können mir nichts beweisen, dachte er. Sie werden mir auch in Zukunft nichts beweisen können. Geräuschlos trat er in die Wohnung. Alles war still. Obwohl Ellen bereits schlafen würde, er konnte ihr heute sein zerschlagenes Gesicht nicht vorenthalten. Er würde sie wecken. Es war überaus wichtig für ihn zu wissen, ob Simon ihr einen Besuch gemacht hatte. Wenn er wüßte, wie dieser ausgegangen war, konnte er handeln. Betroffen fuhr Hayes zurück, als er die Nachttischlampe an ihrem Bett brennen sah. Anscheinend wartete Ellen auf ihn. Mit einem blassen Gesicht blickte sie ihm entgegen. Sie rauchte. Hayes hatte es selten erlebt, daß Ellen eine Zigarette nahm. Sie mußte es wohl sehr nötig haben. Er setzte sich an ihr Bett und wußte plötzlich nicht, wie er sich eigentlich verhalten sollte.
„Du bist schon da, Jack?"
Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Obwohl sie beide nichts mehr verband, war die Frau froh, ihn endlich zu sehen. Sie hatte ein paar schlimme Stunden durchstehen müssen. Er brauchte sie gar nicht zu fragen, sie sagte es ihm ganz von selbst. Ihre schlanke Hand huschte über ihre Augen, als wolle sie etwas fortwischen.
„Waren sie es, die dich so geschlagen haben, Jack? Sie haben es mir angekündigt, als sie hier waren. Was ist nur los?"
Anscheinend erwartete die Frau keine Antwort von ihm. Nervös drückte sie die Zigarette aus und setzte sich etwas höher. Ihr schwarzes Haar war zu einem Pferdeschwanz abgebunden.
„Was wollten sie von dir, Ellen?" Hayes' Stimme war nur ein Flüstern.
Sie sah an ihm vorbei. „Sie haben eine Haussuchung vorgenommen. Was sie finden wollten, mag der Himmel wissen. Sie haben hier alles durchgewühlt, auch den Kleiderschrank und dein Zimmer."
Sie wandte ihm den Blick zu. „Einer hielt mir plötzlich die Ätherflasche vor die Augen und fragte, ob du in der letzten Zeit Äther verwendest hättest. Ich sagte, daß ich das nicht wisse. Woher sollte ich das auch wissen, wo wir uns so selten sehen, nicht wahr? Dann haben sie gefragt, welchen Wagen du gefahren habest, als das Unglück passierte. Auch das wußte ich nicht — Jack, du hast ein Mädchen überfahren? Sie ist tot?“
Hayes wußte nicht, was er mit dem Ton in ihrer Stimme anfangen sollte. Es klang bald, als bedauere sie ihn; aber das war kaum zu denken. Er nickte. „Sie ist tot. Und jetzt soll ich sie umgebracht haben."
„Ach, Jack.“
Hayes warf seinen Hut auf den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. Tief inhalierte er den Rauch. Warum sie wohl auf den Äther gekommen sind, dachte er. Zu einem solchen Gedanken konnten sie doch keine Veranlassung haben. Aber anscheinend hatten sie sich etwas dabei gedacht, darüber gab es jetzt keinen Zweifel. Das verschob das ganze Bild über Simon und seine Arbeit. Oder war es nur ein großer Zufall, der sie danach fragen ließ. Hayes tat ein paar tiefe Züge aus seiner Zigarette. „Und", fragte er plötzlich, „was
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