Spekulation mit dem Tode Kommissar Morry
wahr?"
„Bald. Vielleicht schon morgen."
Darauf starrten sie schweigend durch die Windschutzscheibe. Der Buick fraß Kilometer um Kilometer. Obwohl sie kein Fahrzeug ausmachen konnten, blendete Hayes auf einmal die Scheinwerfer ab. Sie waren noch längst nicht da, sondern hatten noch eine gute halbe Stunde zu fahren, und er nahm das Gas weg. Er steuerte den Wagen dicht an einen Baum.
„Was tust du, Jack? Was ist geschehen?"
In die leisen Explosionen des Motors mischten sich die wilden Rhythmen einer Kapelle, das Auto-Radio spielte, er hatte es angestellt. „Ich will mich von dir verabschieden", sagte Hayes rau. „Schließlich ist jetzt alles aus, und du wirst nicht mehr zu mir zurückkehren. Vielleicht mache ich eine Dummheit, aber um alles wieder ins rechte Gleis zu bringen, ist es jetzt sowieso zu spät."
In dem matten Licht des Armaturenbrettes sah sein zerschlagenes Gesicht noch verquollener aus. Das machten die Schatten. Seine Augen hatten einen kalten Glanz, als er sich zu ihr beugte und seine Arme um sie legte. Als seine zersprungenen Lippen ihren Mund berührten, begann sie zu zittern. Instinktiv schloß die Frau ihre Augen. Sie hatte Angst.
*
Am nächsten Tag sah Hayes in der Börse ein bekanntes Gesicht wieder. Der Mann trug einen dunkelgrünen Tweedanzug und eine gelbe Krawatte mit schwarzen Punkten. Lässig hatte er seine langen Beine übereinandergeschlagen. Interessiert verfolgten seine Augen die erleuchtete Kurstafel, über die alle Minuten Zahlenkolonnen wanderten. Sie gaben den jeweiligen Stand der Kurse bekannt.
Jack Hayes setzte sich in einiger Entfernung von ihm auf einen der Klappstühle und zog sein Notizbuch aus der Tasche. Obwohl er an den Zahlen interessiert war, konnte er sich nur schlecht auf die Tafel konzentrieren. Seine Blicke gingen automatisch zu dem Mann im Tweedanzug. Nichts deutete darauf hin, daß dieser ihn schon bemerkt hatte. Plötzlich stand er auf und schlenderte auf Hayes los. Eine große, dichtbehaarte Hand griff langsam zu ihm hinunter und nahm ihm das Notizbuch aus den Fingern.
„Verdammt", fluchte Hayes leise, „was soll das?"
Ungerührt las der andere seine Eintragungen. „Ich würde es heute mit ,Penicillin-Aktien' versuchen, Hayes. Das Papier ist in den letzten Tagen rapide geklettert. Wer weiß, ob sie morgen oder später so eine Chance haben werden."
Hayes nahm ihm das Buch wieder fort und rückte einen Sitz weiter. Der Mann ließ sich nieder und grinste. „Ich habe nicht gedacht, daß Sie so verdammt unvorsichtig sein können, Doktor. Wenn man uns nun hier zusammen sieht?" Jack Hayes war wütend und von Angst gepackt. Er wandte sich ab und starrte auf die wandernden Zahlenkolonnen, ohne sie zu erfassen.
„Sie sind dumm", sagte sein Nebenmann mit leiser Verachtung.
„Warum Theaterspielen? Wer uns sehen will, kann es tun. Schließlich kannten wir uns vorher schon und haben uns nicht erst gestern oder heute kennengelernt. Eher würde es auffallen, wenn wir jetzt aneinander vorbeigingen, ohne uns ein freundliches Wort zu sagen."
„Wie heißen Sie eigentlich?"
„Tilbury, ganz schlicht Tilbury."
„Und was wollen Sie jetzt wieder von mir?"
„Sie sollen Ihre Penicillin-Aktien verkaufen, Hayes, damit ich mein Geld bekomme, die volle Summe. Sie wissen schon, wie wir es vorher ausgemacht hatten."
„Ich verkaufe noch nicht. Ich kann es mir nicht leisten, ganz einfach zu verkaufen, wenn die Kurse etwas anziehen. Morgen oder übermorgen kann ich vielleicht mehr dabei verdienen."
„Sie werden nicht viel mehr dafür herausschinden, Freund. Das, was Sie dort lesen, dürfte wohl der höchste Stand sein, den dieses Papier erreichen kann."
Jade Hayes schüttelte den Kopf. „Vor ein paar Tagen war der Stand noch besser. Ich werde noch warten."
Tilbury seufzte. „Na schön, zahlen müssen Sie so oder so."
„Leiser", zischte Hayes nervös, „so ein Leichtsinn von Ihnen."
Seine Vorsicht schien überflüssig zu sein. Die Männer, die die vielen Klappsitze einnahmen, standen im Bann der Zahlen. Nur selten erhob sich jemand, um zu kaufen oder zu verkaufen. Das Geschäft florierte in der letzten Zeit nicht mehr richtig auf der Börse, sagte man. Das Gros der Spekulanten verhielt sich abwartend. Hin und wieder machte Hayes Notizen in sein Buch. Bisher waren es unwesentliche Kursabweichungen, die ihn darum nicht sehr interessierten. Das große Geschäft mußte erst noch kommen. Er hatte vorher noch nie auf der Börse spekuliert. Er war aber der
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