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Spiegel der Offenbarung

Spiegel der Offenbarung

Titel: Spiegel der Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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immer noch ein ziemlich großer, aufrecht gehender Löwe mit Krallen und Zähnen und einem aufbrausenden Temperament. »Wie alt bist du eigentlich, Leonidas?«
    »Alt genug, um ein paar Dinge zu wissen.« Er winkte ihr. »Komm jetzt.«
     
    Es war reichlich merkwürdig, dem General, dem Schrecken Innistìrs, zu folgen und mit ihm gemeinsam nach dem Zugang zu den Stufen zu suchen. Seine schiere Größe und Muskelmasse schüchterten Laura nach wie vor ein. Er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und sie würde quer durch den Raum fliegen. Ein kleiner Ruck mit der Kralle, und ihr Hals wäre zerrissen. Kurz gesagt, dieses pragmatische Verhalten passte überhaupt nicht zu ihm. Von Leonidas hatte man immer nur das Bild mit dem Schwert in der Hand, bereit zum Kampf, zu Fuß oder auf einem sich aufbäumenden Pferd. Tolle Standfotos, für Poster geeignet. Aber hier im Turm, so ganz ... normal ...
    Sie wäre beinahe in ihn hineingelaufen, als er abrupt anhielt. »Eine Frage habe ich«, sagte er. »Wie hast du es eigentlich bis hierher geschafft, so unkonzentriert, wie du bist?«
    »Bin ich gar nicht«, wehrte sie ertappt ab.
    »Doch, das bist du. Ich habe dir vorhin eine Lektion erteilt, die tief in dir sitzen sollte, aber es hat überhaupt nichts bewirkt. Was muss ich denn sonst tun? Es ist wahrhaftig ein Wunder, dass du noch am Leben bist. Liegt es daran, dass du immer jemanden um dich hattest, der dafür gesorgt hat, dass du dir nicht den Hals brichst?«
    Sie dachte an ihren Weg hinauf zum Meister vom Berge. Oder an ihren Aufenthalt bei den Riesen. Oder als sie in die Vergangenheit ihrer Welt gestürzt war. »Nicht immer.«
    »Aber meistens.«
    »Ja und? Ich wiederhole mich vielleicht, ist das schlecht? Ich habe mich nicht darum gerissen, die große Heldin zu werden, von der alles abhängt!«
    Das Maß war voll, der Tropfen brachte das Fass zum Überlaufen. Laura riss kochend vor Wut die Arme hoch. »Ich will einfach nur ein normaler Mensch sein, verstehst du?«, schrie sie. »Ich habe mir all das nie gewünscht, ich war nie auf Abenteuer aus! Ich habe es satt! Ich will einen normalen Alltag, ein normales Leben, dort, wo ich hingehöre!«
    Leonidas ließ ihre Wut an sich abprallen, sie konnte nicht einmal seine Mähne in Bewegung bringen. »Und?«, fragte er ruhig. »Warum gehst du dann nicht?«
    »W... was ...?«
    »Du kannst gehen! Du hast deine Schuldigkeit getan, die Herrscher sind frei, Königin Anne kann deine Gefährten heimschicken, und du brauchst einfach nur den Schritt zu tun, ohne dass dir jemand eine Tür öffnet. Geh nach Hause, in das Leben, das du dir so sehr wünschst, gleich jetzt!«
    »Der Schattenlord ...«
    » Der Schattenlord «, äffte er sie nach, »ist hier gebunden, er kann dir nicht folgen. Er hat genug mit uns zu tun, und wir werden ihm den Hintern aufreißen und ihn vernichten. Was kümmert's dich? Geh, gleich durch diese Wand, wie du es schon die ganze Zeit über hättest tun können! Nun weißt du, was Sache ist, du kannst also endlich nach Hause gehen. Tu es! Es ist deine Entscheidung, dein freier Wille, niemand zwingt dich, hierzubleiben.«
    Ihre Wangen brannten, ihre Augen füllten sich jetzt mit Zornestränen. Sie wollte ihn schlagen, ihm die Arroganz aus dem höhnisch grinsenden Gesicht treten, ihn ... ihn ... Ihr gingen die Ideen aus. Für so etwas war Zoe besser, die hatte eine unglaubliche Phantasie in diesen Dingen.
    »Du ... bist so ein blöder Wichser ...«, keuchte sie. »Du hast überhaupt keine Ahnung, von nichts hast du das! Ganz recht, ich werde selbst entscheiden, und das habe ich auch, aber ich will nur klargestellt haben«, und jetzt brüllte sie ihn aus aller Kraft an, »dass ich immer noch Laura bin, dass ich es satt habe, wie ständig jeder irgendwelche Erwartungen in mich setzt, wie ich gefeiert werde, obwohl ich keine Heldin bin, und wie von mir Wunder erwartet werden! Ich hab getan, was zu tun war, weil es eben so gekommen ist! Bin in diese Sache reingestolpert wie schon mein Leben lang, und ich wollte überleben! Und ich wollte, dass die anderen überleben! Denkst du, ich haue jetzt einfach in den Sack? Mir sind andere nicht egal, das habe ich nie behauptet!«
    Sie drohte ihm mit dem Finger. »Keinesfalls aber lasse ich mir von einem wie dir Vorhaltungen machen, und erst recht nicht lasse ich mich von oben herab belehren , hast du kapiert, du blasierter, selbstgefälliger Mistkerl? Basta! «
    Sie war heiser, hatte keine Luft, keine Stimme und keine Worte mehr.

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