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Spiegel der Offenbarung

Spiegel der Offenbarung

Titel: Spiegel der Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Zitternd stand sie vor ihm. Einem mehr als zwei Meter großen Wesen, einer Schimäre aus Löwe und Mensch. In einer Welt, die es nur in der Phantasie geben dürfte, im Angesicht des nahenden Todes. Es war surreal, irrational, verrückt. Mit einem letzten Schnauben schloss sie ihren Ausbruch ab, der leise nachhallte, bevor Schweigen folgte.
    »Was ich an dir immer am meisten geschätzt habe«, sagte Leonidas schließlich, »ist dein ungeheurer Mumm. Egal, wie sehr dir die Knie geschlottert haben, wie sehr du gezweifelt oder sogar gezaudert hast, letztendlich hast du niemals klein beigegeben.«
    Ihre Brust hob und senkte sich immer noch heftig, und es brauchte eine Weile, bis seine Worte zu ihr durchdrangen. Sie runzelte die Stirn. »Was?«
    Mit einem schnellen Schritt war er bei ihr, ergriff sie an den Schultern – sehr behutsam, um ihr nicht sämtliche Knochen zu brechen – und schob sie vor sich. »Schau, was du damit bewirkt hast«, sagte er und deutete über sie hinweg vor sich, zum Ende des Gangs.
    Und da war es. Wo vorher der Aufgang gewesen war, zeigte sich jetzt ein steinerner, kostbar verzierter Rundbogen mit einem zweiflügeligen hölzernen Portal, das mit reichen Schnitzereien versehen war. Auch hier fanden sich Schmückungen mit Edelkristallen und farbigen Malereien.
    Links und rechts davon standen zwei lebensgroße steinerne Wächter. Sie sahen wie Bärenmenschen aus, und Laura überfiel blitzartig eine Erinnerung. Als sie damals Morgenröte verlassen hatten, vorgeblich, um im Auftrag Alberichs nach Königin Anne und ihrem Mann zu suchen, in Wirklichkeit aber, um die Spur des Fliegenden Holländers zu verfolgen, waren sie drei Pilgern begegnet, in reichen Gewändern und mit Turbanen. Sie waren aufrecht gehende Bärenwesen gewesen, und diese Statuen sahen genauso aus. Nur mit dem Unterschied, dass die Wächter die Hände auf ein vor sich gestelltes Schwert stützten. Damals hatte Laura einem der Pilger einen ihrer drei Silberringe im Tausch gegen zwei vertrocknete Blütenstängel gegeben, die ihr dann allerdings sehr nützlich gewesen waren.
    Achte auf die Zeichen , hatte er zu ihr gesagt.
    Das war eines.
    »Die Hürde ist immer noch nicht genommen«, sagte sie leise. »Ich weiß nicht, wie du mich dazu gebracht hast, den Eingang zu offenbaren, aber das war es noch nicht. Wenn wir jetzt gehen, wird er wieder verschwinden, und ich werde ihn vielleicht nie mehr wiederfinden. Das war nur die halbe Prüfung.«
    »Könntest du nicht gleich hinaufgehen?«, fragte Leonidas.
    Sie schüttelte den Kopf. »Schau, das Portal ist geschlossen. Man kann es nicht von Hand öffnen, es gibt keinen Griff, keinen Riegel. Es öffnet sich von selbst und nur dann, wenn der Moment gekommen ist. Es fehlt anscheinend immer noch etwas.«
    »Oder jemand.«
    »Ja, wahrscheinlich. Es gibt da einige Schicksale, die vollendet werden müssen, glaube ich.« Sie hob die Schultern. »Arun beispielsweise. Ich nehme an, dass er darauf hofft, seinen Fluch loswerden zu können. Ebenso die Ewigen Todfeinde. Sie alle haben gesagt, mich begleiten zu wollen, also kann ich nicht ohne sie gehen.« Obwohl sie es vorgehabt hatte, aber nun wurde sie eines Besseren belehrt.
    »Ich bin es offenbar nicht«, stellte Leonidas fest. »Aber was willst du tun, damit du den Eingang wiederfindest? Oder soll ich die anderen holen, und du wartest hier?«
    »Nein, so funktioniert das nicht. Ich glaube, der Eingang muss verankert werden.«
    »Aber wie?«
    »Das ist in dem Fall ausnahmsweise einmal einfach. Diese Gestalten weisen mir den Weg. Ich bin nämlich schon mal einem von denen begegnet, sinnigerweise einem Pilger, der nach dem Pfad der Erleuchtung gesucht hat, und der hat etwas von mir bekommen. Ich habe noch genau zwei übrig, und die sind für hier gedacht.« Sie hielt die Hand hoch, an der zwei Silberringe steckten, verziert mit keltischen Motiven. In der Menschenwelt nur ein Schmuck, hier aber von weitreichender Bedeutung.
    Während Laura auf die Statuen zuging, zog sie die Ringe von den Fingern. Die jeweils äußere Prankenhand am Schwert hielt den kleinen Finger abgespreizt. Nacheinander steckte Laura ihre Ringe daran. Ein silbriger Streifen floss über die Statuen von oben nach unten und verschwand. Nichts weiter geschah. Doch Laura war sicher, dass der Zugang zu den Stufen und damit zum Spiegel in dieser Wirklichkeit befestigt und weiterhin sichtbar war.
    Sie ging zu Leonidas zurück. »Ich glaube, die anderen drehen inzwischen schon halb durch, weil

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