Spiegelblut
plötzlich auf den Hinterkopf der Lichtträgerin. Sie kippte zur Seite wie die volle Schaufel eines Wasserrades.
Das Nächste, das ich sah, war sein diabolisches Grinsen und funkelndes Licht. Es sauste so schnell auf mich nieder, dass mein Schrei noch in meiner Kehle steckte, während ich ohnmächtig wurde.
Als ich wieder zu mir kam, waren die Kämpfe vorbei. Benommen schüttelte ich den Kopf. Schmerz schoss hinter meine Stirn und trieb mir die Tränen in die Augen. Vorsichtig sah ich mich um. Eloi war verschwunden; der Hüne, der mich zuvor unter sich begraben hatte, lag auf die Seite gedreht neben mir. Mühsam rappelte ich mich auf. Wo war Eloi? Wenn sie ihn getötet hätten, würde er noch neben mir liegen, sie hätten sich bestimmt nicht die Mühe gemacht, seinen toten Körper wegzuschaffen. Da es immer noch dunkel war, konnte nicht viel Zeit vergangen sein. Dicke Flocken fielen vom Himmel und erschwerten die Sicht.
Damontez!
Mein Herz setzte einen Schlag aus, aber dann entdeckte ich ihn wenige Meter von mir entfernt. Er stand einfach nur da; sein Gesicht zeigte keine Regung und doch wirkte er völlig verändert.
»Damontez?«
Ich spürte, wie seine Aura immer schwächer wurde, der Sturm in seinem Inneren verebbte. Gleichzeitig nahm ich die Stille in der Luft wahr; der Wind, der vorhin noch so kräftig geweht hatte, war verschwunden, dafür fielen die Flocken, und mit den Flocken rieselte die Stille zu Boden.
Ich ging langsam auf ihn zu und hob die Hand, als wollte ich nach ihm greifen.
»Damontez?«, wiederholte ich seinen Namen. »Was ist passiert? Die Kämpfe … wieso haben sie aufgehört? Wo sind sie denn alle?« Der Schlossgarten schien wie ausgestorben und doch sah ich in der Ferne das hundertfache Glitzern der Diamantsonnen. Es hing wie festgefroren in der Luft, als wären alle mitten in ihren Bewegungen erstarrt.
»Damontez?«
Er ignorierte mich. Konnte er mich überhaupt hören? Wie gebannt starrte er in die Richtung der Bosketten. Ich drehte mich um, blinzelte, als sich eine Schneeflocke in meinen Wimpern verfing. Eine Gestalt kam auf uns zu. Finster und groß betrat sie den Raum der Ruhe, der uns wie eine Schneekugel umschloss. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Es war der schönste und zugleich furchterregendste Anblick, der sich mir je geboten hatte. Der Vampir musste Remo Cozalu sein. Gott, er war wunderschön! Gefährlich schön! Und nicht er hatte den Raum unserer Stille betreten, sondern er hatte sie gleich einem Boten vorangeschickt. Er stand vor mir wie ein in Schwarz gekleideter Ritter, seine weißblonden Haare waren straff zurückgebunden, in dem langen Zopf schimmerten goldene Strähnen. Die Augen glommen wie schwarzes Feuer durch die Nacht. Pupillenlos. Beklemmend. Ohne Leben. Sein Gesicht machte mir Angst. Scharfe Konturen, wie in Holz geschnitzt, bedrohlich klar. Die hohen Wangenknochen zeichneten Schatten auf die blaubleiche Haut und verliehen ihm die Autorität eines Heerführers. Oder die eines Königs. Er beachtete mich nicht, doch als er an mir vorbei schritt, reckte er das Kinn in die Luft, seine Nasenflügel blähten sich auf, als witterte er etwas. Wenige Meter vor Damontez blieb er stehen. Remo war sogar noch ein Stückchen größer als sein Seelenbruder.
Ich musste an Eloi denken, an seine Worte über die Halbseelenträger. Bleiche Prinzen mit schwarzem Haar und Augen so dunkel wie eine Gottesfinsternis. Okay, einer von ihnen war blond, aber die Legende lebte. Mein Herz schlug schneller, und ich ging um beide herum, als würde ich ein Naturphänomen bestaunen.
Sie sehen mich nicht!
Ich wusste nicht wieso, vielleicht waren sie auch zu sehr in den Anblick ihres Gegenübers versunken. Magie glitt durch die Luft, von Remo zu Damontez und wieder zurück. Das aufgeregte und doch so verzweifelte Flattern der Seele, die sich anzog und abstieß, weil sie nicht zusammenkommen durfte.
»Ich habe dich schon mit dem Wind gespürt«, sagte Damontez jetzt. »Woher wusstest du, wo ich bin?«
»Ich weiß immer, wo du bist, Damontez. Das solltest du doch wissen.« Es klang wie ein liebevoller Tadel. Ein Lächeln breitete sich auf Remos blassen Lippen aus, aber es nahm dem Gesicht nicht die Düsternis, im Gegenteil, es machte ihn noch bedrohlicher. Wie sie sich gegenüberstanden! Äußerlich hatten sie bis auf den ihnen nicht abzusprechenden Grad an Adel und Herrschaft keine Ähnlichkeit. Und doch … wenn ich Remo betrachtete, sah ich Damontez. Remo war mir vertrauter, als ich es
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