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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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etwas erklären. Dafür griff ich nach seiner Hand, berührte ganz leicht seine Fingerspitzen, ein kurzes, verbotenes Streicheln. Dabei fiel mein Blick auf Draca, der mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden lag. Neben der ersten Wunde blutete eine zweite, tiefere.
    Das ist für Finan , schoss es mir durch den Kopf. Und es reicht noch lange nicht!
    »Ein solcher Stich mitten ins Herz, selbst mit einem einfachen Speer, setzt einen Vampir eine Weile außer Gefecht. Vor ihm brauchst du dich heute Nacht nicht mehr zu fürchten.«
    Ich zwang mich, ruhig zu atmen. Ich wollte zurück ins Sanctus Cor. Zurück an das wärmende Feuer und auf das sichere Schaffell – schauen, ob Eloi es geschafft hatte, Faylins Männern zu entkommen. Erschöpft schluckte ich gegen die Worte und Wahrheiten an, die in mir steckten und nicht heraus durften. Wenn ich Damontez von Eloi erzählte, und wenn ich ihm das von Draca preisgab, würde er wissen, dass ich ein Spiegelblut war. Es wäre das Todesurteil für meine Freiheit und das Todesurteil für jedes Stück Normalität. Aber konnte ich überhaupt je wieder zurück?
    Damontez schlug einen Kiesweg in die entgegengesetzte Richtung des Haupthauses ein und spazierte vor mir her, ohne sich umzublicken. Das Stimmengewirr und die Gespräche über den Ausgang der Blutwette wurden leiser. Ich fror immer noch entsetzlich, war ihm aber dankbar, dass er nicht sofort zurückging. Nach wenigen Metern drehte er sich zu mir um.
    »Du bist blau wie ein Vampir bei der Verwandlung«, sagte er, und ich lächelte, weil er versuchte, einen Witz zu machen, um mir die Angst zu nehmen. Im nächsten Moment legte er mir seine Robe um die Schultern. Sie fiel bis ganz hinunter zu meinen Füßen. Mir wollte ein Danke über die Lippen, aber er bedeutete mir zu schweigen.
    »Faylin beobachtet uns von der Säulenterrasse aus. Und ein paar andere verbergen sich in der Dunkelheit.« Er lief weiter. »Wir müssen bald wieder hinein. Ich wollte dir nur eine kurze Auszeit verschaffen.«
    Ich zog den feinen Stoff der Robe enger um meinen Körper. Ein Gefühl von Dankbarkeit durchströmte mich vom Scheitel bis zur Sohle. Niemals hätte er mein Blut getrunken, um mich zu bestrafen, ich war mir ganz sicher. Er hatte nur den Fluchtversuch als Anlass für etwas genommen, das er auf jeden Fall hatte tun müssen.
    »Weißt du, was dein indianischer Name wäre, Coco-Marie?« Er blickte über die Schulter und ich blinzelte ein Nein in die Nacht. »Die mich eines Tages um den Verstand bringt!«
    Erneut huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Ich wusste nicht, ob er es als Kompliment oder Rüge meinte, vermutlich beides. Trauer stahl sich auf seine Züge, als er mich lächeln sah, und diesmal sank sein Kopf. Konnte er es wirklich nicht? Bislang hatte ich ihn nur zynisch lächeln sehen, und auch das äußerst selten.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er, drehte sich um, ohne mir zu erklären, was genau er bedauerte. Tat es ihm leid, mich aus meiner Welt gerissen zu haben? Seine Scherze mit mir, die mir vorgaukelten, alles sei in Ordnung. Dieser Abend? Oder sein Verhalten in all den Wochen zuvor?
    »Remo und ich haben so vieles versucht, um unsere Seelen zu vereinen. Wir waren sogar bei den Pawnee in Nordamerika, doch das ist lange her. Eine uralte Schamanin wollte in der Geisterwelt für jeden von uns das Seelenstück eines anderen fangen, um die Hälften damit zu füllen. Sie hieß Peshewa – Wildkatze. Natürlich hat es nicht funktioniert.« Er schwieg kurz. »Ich würde dich antworten lassen, aber es ist sicherer, wenn sie denken, ich würde dich behandeln wie ein Seelenloser. Außerdem bist du wahrscheinlich zu aufgeregt, um überhaupt einen vernünftigen Satz rauszubringen.«
    Wieder ging er voran, fast schlendernd, als wären Tonnen von Gewicht von ihm abgefallen. Ich fragte mich, wie sehr er den Abend wirklich gefürchtet hatte.
    »Normalerweise«, fing er an und drehte sich abermals um, »müsste ich nach dem Sieg dein Blut nehmen. Das ist Tradition. Draca hätte es getan. In aller Öffentlichkeit.« Er musterte mich ernst und nickte, vielleicht weil ich ihn so ungläubig anstarrte.
    »Es ist, wie das eigene Revier zu markieren oder seinen Besitz zu kennzeichnen. Sollen sie denken, ich hätte dein Blut in der Dunkelheit des Gartens genommen. Wir könnten uns einen unbeobachteten Ort suchen – sollte es den hier überhaupt geben.« Er versuchte, arglos zu klingen, aber ich sah den Glanz des Aliquid Sanctum in seinen Augen und

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