Spiegelblut
entdeckte die hauchfeine blaue Kontur um seine Lippen.
Ich blinzelte, fuhr mir mit beiden Händen über das Gesicht und hielt inne, als ich erkannte, dass es seine Geste war. Immer wenn sich der blaue Schimmer auf seine Wangen legte, strich er darüber, als könnte er die Zeichen, die er trug, einfach wegwischen.
»Was hast du da eben gemacht?« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich von einer Sekunde auf die andere. Irritation wich Angst, dann Ärger, zurück blieb seine Starre, in der seine Augen immer so unwirklich und finster wirkten, dass mein Herz zitterte.
»Ich habe mir nur über das Gesicht gerieben«, antwortete ich leise. »Es ist ganz kalt.« Er zog die linke Augenbraue hoch, sagte aber nichts dazu. Auf einmal schien er wieder so unnahbar wie zu Beginn. »Ich wollte dich nicht bewusst nachmachen.«
»Ich weiß. Das ist das Problem.« Jetzt seufzte er, drehte sich um und lief zügig weiter.
Ich eilte hinterher und wollte ihm gerade erklären, dass ich es selbst nicht verstand, als laute Stimmen die Nacht durchbrachen. Sie kamen vom anderen Ende des Schlossgartens, an der die ornamentalen Rasenflächen Bosketten wichen.
Vage Schatten flogen an mir vorbei, eine Gruppe aufgehetzter Vampire, dahinter einige Lichtträger, deren Diamantsonnen im Mondlicht gefährlich blitzten. Zurück blieben fünf weitere – als ich sah, wen sie mit ihren Speeren einschlossen, gaben meine Knie nach. Damontez fing mich unter den Armen auf, zog mich hoch und hielt mich fest.
»Eloi«, entfuhr es mir entgeistert. »Oh mein Gott, bitte nicht auch noch Eloi!«
21. Kapitel
»Wenn du die Grenzen der Seele suchst,
du wirst sie niemals finden,
auch wenn du jeden Weg zu Ende gehst,
so tiefen Wesensgrund hat sie.«
HERAKLIT
»Tu so, als würdest du ihn nicht kennen, sonst benutzen sie ihn als Druckmittel gegen dich«, flüsterte mir Damontez zu.
»Sie wissen es sowieso.« Ich wollte mich von ihm losreißen und zu Eloi rennen, aber seine Arme lagen wie ein Eisenkäfig um mich herum. »Sie haben versucht, uns in eine Falle zu locken!«
In weniger als zwei Minuten war der gesamte Clan von Faylin angerückt, alle bis auf die Zähne bewaffnet, dazwischen mischten sich Damontez’ Anhänger, doch sie waren hoffnungslos in der Unterzahl. Eloi gehörte zu den Ursprünglichen, sie würden ihn töten! Als Damontez mich näher an das Geschehen führte, sah ich, dass sie Eloi das Shirt heruntergerissen und ihn misshandelt hatten. Seine Unterlippe war angeschwollen, das rechte Auge blutunterlaufen. Ein blonder Hüne hielt seinen Speer lachend direkt auf seine Brust gerichtet.
Ich hörte Faylins Stimme, hob den Kopf höher, als es mir erlaubt war, sah ihn aber nur vage aus den Augenwinkeln. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein arroganter Pfau, weniger wie ein Vampir – und seine Haare waren wirklich pomadisiert.
»Ich kenne ihn! Er ist ein Ursprünglicher. Einer, der glaubt, den Menschen würde diese Erde ganz allein gehören«, predigte er seinem Gefolge.
Eloi glaubt an fast gar nichts mehr , hätte ich gerne gekontert, aber ich musste schweigen.
»Und was seid ihr? Seelenlose, die einen Gegner gegen drei kämpfen lassen?« Sein verletzungsbedingtes Nuscheln erntete Gelächter.
Ich ballte die Fäuste und dachte an Paris. Faylin hatte die Gruppe angeführt, die in Frankreich den Kreis seiner Freunde zerschlagen hatte. Die Gruppe, die Amanda gefragt hatte, wie sie ihr den Todesstoß verpassen sollte. Wut stieg in mir auf. Ich spürte das Knistern des Transparentes in mir.
Nicht jetzt! Nicht jetzt! Bitte nicht jetzt!
»Du bist alt geworden, Raumkrümmer«, sagte Faylin zu Eloi. »Zu alt für einen weiteren Kampf. Vielleicht sollten wir es gleich zu Ende bringen. Einen Ursprünglichen zu töten, ist nicht gegen das Gesetz. Er ist unser aller Feind!«
Eloi schwieg, Worte waren zwecklos. Sie dienten nur dem teuflischen Spiel. Aber ich musste Faylin leider recht geben: einen Kampf würde Eloi keine Minute überleben, auch wenn es nicht an seinem Alter lag.
»Oder hat jemand etwas dagegen?«, fragte Faylin mit einem selbstgefälligen Lächeln und ausgebreiteten Armen in die Runde.
Ja, ich hatte etwas dagegen! Ich wollte es in die Nacht schreien, aber Damontez kam mir zuvor.
»Du hast uns zu einem Ball geladen, bei dem der Frieden Schottlands gefeiert werden sollte. Du weißt sehr wohl, wer dieser Lichtträger ist. Da mein Blutmädchen nicht sprechen darf, spreche ich für sie. Wenn du ihn töten lässt, werten wir das als
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