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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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eines Ganzen. Wie zwei Seelenanteile, die liebten. Das war mein letzter Gedanke, bevor ich endgültig einschlief.
    In dieser Nacht träumte ich von Hadurah, dem Engel des Wassers und der Reflexion. Sie schwebte mit einem Körper aus Hunderten von funkelnden Wasserperlen über der Morgenröte und lockte Luzifer mit seinem Spiegelbild ins Verderben. Er verlor seine Gestalt, und seine Seele fuhr in mich, machte mich zu dem, was ich heute war: ein Spiegelblut, das seine himmlische Macht auf Erden bringen sollte. In dem Traum führte er mich zu einem Spiegel, der in einer Höhle unter einer dicken Schicht Nebel verborgen lag. Mit beiden Händen fächerte ich den Dunst beiseite, und er befahl mir, hineinzusehen, um zu erkennen, wer ich war. Als ich endlich gehorchte, blickte mir Pontus entgegen, dessen Gesicht von schwarzen Narben entstellt war. »Was musst du suchen?«, fragten wir zeitgleich, und in dem Moment sprossen Hörner aus meiner Stirn.
    Als ich mit einem Schrei aufwachte, lag Damontez immer noch neben mir. Ich stammelte zusammenhangloses Zeug, das ihn veranlasste, mich erneut mit seinen Vampirtricks zu bannen – so erklärte er es zumindest mit seiner ruhigen, ernsten Stimme. Kurz bevor ich wieder einschlief, sagte er noch, dass der Teufel ganz bestimmt nicht spiegelsichtig sei – so wie ich! – und ich mir keine Sorgen machen müsse. Ich war mir da nicht so sicher: immerhin stammte der Erste Gefallene ursprünglich aus dem Himmel, und diese Art zu sehen, war ihm gewiss nicht fremd.

23. Kapitel
    »Irgendwo blüht die Blume des Abschieds
und streut immerfort Blütenstaub,
den wir atmen, herüber;
auch noch im kommendsten Wind
atmen wir Abschied.«
    RAINER MARIA RILKE
    Bibliothek, Speisesaal und Küche: Diese drei Zimmer gehörten fortan zu den Bereichen, in die Coco auch ohne Damontez’ Begleitung hineindurfte. Jeder dieser Räume wurde von Lichtträgern rund um die Uhr bewacht, ebenso die Wege, die die Räume verbanden. Damontez befand sich in der prekären Situation, dass er Glynis nicht mehr vertraute, sie es aber nicht spüren lassen konnte. Sie kannte zu viele Interna, die in den Händen der Nefarius zu wertvollen Waffen werden konnten, vor allem für Faylins Clan.
    Wenn Pontus an die letzte Nacht dachte, wurde ihm so elend wie damals, als ihm der Begriff Unsterblichkeit in all seiner Konsequenz in die Knochen gefahren war. Es war lange her, dass er Raven gesehen hatte, fast drei Jahrhunderte. Er war es gewesen, der ihm von dem Spiegelbluttest erzählt hatte. Überhaupt stammte das meiste Wissen, das man über ein Spiegelblut hatte, von den alten Spiegelblutjägern. Was von den Erzählungen stimmte, wusste niemand mit Sicherheit. Selbst ob ein Spiegelblut tatsächlich das Heiligtum der Engel betreten konnte, um dort die Seelen zu fangen, war ungewiss, denn es gab dafür keine Zeugen. Noch niemals hatte die Kraft eines Spiegelbluts dazu ausgereicht, so hatte Pontus es zumindest von Raven gehört.
    Raven jetzt in Faylins Kreis zu wissen, ließ Pontus annehmen, dass Faylins Clan sich besonders auf die Spiegelblutjagd konzentrierte. Vielleicht glaubte Faylin, Remo nur so das Wasser reichen zu können. Für Coco bedeutete das eine noch viel größere Gefahr. Raven hatte sie als Spiegelblut erkannt! Er hatte sie Spiegelblut genannt. Dieses Wort aus Ravens Mund war ihm trotz des Kampfes nicht entgangen. Raven war sich sicher. Er selbst war sich ebenfalls sicher! Faylin würde niemals Ruhe geben, erst wenn er Coco in seinem Palast in den Fängen hätte, Nachtschatten hin oder her. Er hatte von Anfang an befürchtet, dass es Faylin nur kurzfristig genügen würde.
    Obwohl Damontez alles daran gesetzt hatte, dass sich zwischen ihm und Coco keine Freundschaft entwickelte, noch nicht einmal ansatzweise, hatte die Realität ihn jetzt mit der Macht des Schicksals überrollt. Es war mehr als Freundschaft, was der Halbseelenträger empfand, und das mit einer halben Seele, die nicht lieben konnte. Angeblich.
    Die Frage, die er sich seit gestern stellte, nagte an seinem Herzen wie eine falsche Schlange: War Coco bei Damontez noch in Sicherheit? Sein Auftrag hieß: Bringe sie zu einem Halbseelenträger. Er hieß nicht, bring sie zu Damontez! Was ihm zunächst grausam und unvorstellbar erschienen war, kam ihm mittlerweile vernünftiger vor als alles andere. Damontez liebte Coco. Remo würde das nicht dulden. Faylin brauchte Coco wiederum, um Remo zu vernichten. Raven würde er beauftragen, den Test mit ihr

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