Spiegelblut
sagte er leise. »Du schläfst jetzt!« Seine Augen waren immer noch geschlossen. »Die Nacht war lang, du bist müde und weißt nicht, was du tust.«
»Ist es jedes Mal so schlimm?«
»Du hast alles gehört. Remo hat dich gewittert.« Obwohl er ärgerlich auf mich sein müsste, weil ich es ihm verschwiegen hatte, blieb er ganz ruhig. Sein Gesicht war so friedlich, die Lippen entspannt, seine Aura so schwach – oder ich bereits an sie gewöhnt.
»Ja«, gab ich unumwunden zu und konnte nicht aufhören, ihn anzusehen, während mein Herz vor Aufregung zitterte. »Ist es immer so schlimm?«
»Oft, doch ich bin dann vorbereitet – und allein. Trotzdem war es heute anders. Zuerst hätte es mich fast zerrissen … es kam so unerwartet, aber dann hast du irgendetwas gemacht …«
»Ich habe dich berührt. Vielleicht war es anders, weil du nicht alleine warst«, versuchte ich ihn zu überzeugen. Sicher hatte die Spiegelung seiner anderen Seelenhälfte nicht unwesentlich zur Linderung beigetragen.
»Ja, vielleicht …« Er blinzelte, hob die Lider, erst da wurde mir bewusst, wie nahe ich wirklich bei ihm lag. Ein seelisches Kammerflimmern jagte durch jede Faser meines Körpers.
»Ich muss dich etwas fragen«, flüsterte ich.
»Dann frag mich.« Immer noch ließ er meine Hand nicht los, aber mittlerweile hatte sich sein Griff gelockert. Ich legte meine andere auf seine.
»Remo und du, ihr bewegt euch manchmal wie Spiegelbilder. Was ist das?«
»Es sind die beiden Seelenhälften. Sie erkennen sich, finden sich, verlieren sich aneinander. Es passiert oft, wenn wir uns länger nicht gesehen haben.«
Ich spürte seine Nähe, die leise Kälte unter der Decke. Sie brannte auf meiner Haut wie Feuer, er müsste nur ein wenig zu mir rücken und wir würden uns berühren. Ein Schauder durchfuhr mich bei dem Gedanken und ließ keine Stelle meines Körpers aus.
»Ist dir kalt?«
Ich unterdrückte ein Lächeln. Er verstand wirklich nicht besonders viel von Menschenmädchen. »Nein.«
»Ich habe auch eine Frage.«
»Dann frag mich«, neckte ich ihn mit seinen Worten.
»Wie hat Draca es geschafft, deinen Blick zu bekommen? Ich nehme nicht an, dass es eine Kleinigkeit war.«
»Er hat behauptet, er hätte meinen Bruder getötet«, log ich schnell. Diese Ausrede war mir auf der Rückfahrt eingefallen und es war eine vertretbare Halbwahrheit.
Damontez schien Wahrheit gegen Lüge abzuwiegen. »Und, stimmt das?«
Ich öffnete die Augen nur einen Spaltbreit und sah auf unsere Hände. Seine Nägel besaßen wieder ihre übliche Form und ein kurzer Blick über sein Gesicht zeigte, dass auch seine Stirn sich langsam glättete.
»Weiß nicht«, murmelte ich.
»Lass uns morgen darüber sprechen. Ich möchte, dass du jetzt schläfst. Schau mich an.«
Ich seufzte unwillig, hob die Lider etwas weiter an. »Und was ist morgen?« Mir fiel ein, was er ganz am Anfang zu mir gesagt hatte. »Wirst du mich diesem Test unterziehen?« Ich wollte meine Hände zurückziehen, doch er umschloss sie mit seinen.
»Morgen jedenfalls nicht«, sagte er nur. »Und jetzt schläfst du endlich!«
Meine Augen waren nur halb geöffnet, aber trotzdem drang sein Blick in mich ein. Ich unterdrückte ein Gähnen, meine Glieder wurden schwer. Irgendwie übernahm er gerade die Kontrolle über meinen Körper.
»Was machst du da?«, murmelte ich schläfrig. »Bannst du mich, damit ich schlafe?« Ich war sogar zu müde, um mir zu überlegen, ob ich wütend darüber sein sollte. Es fühlte sich gut an, ganz anders als bei Draca.
Seine Hand strich weich über meinen Kopf und zauselte mein Haar. »Ich helfe dir nur, meinen Befehlen zu folgen.«
»Warum gibst du mir nicht einfach dein Blut?«, fragte ich und spürte bereits, wie der Schlaf mich in seine Arme schloss.
»Vampirblut lässt dich nicht schlafen, es betäubt dich. Zumindest das der Angelus.«
»Wird man nicht auch zu einem Vampir, wenn man zu viel Blut von einem Dämon bekommt?«, murmelte ich schlaftrunken.
»Ja, aber nur, wenn derselbe dir zuvor zu viel genommen hat. Das ist zu kompliziert, um es dir jetzt in Einzelheiten zu erklären.«
»Und was ist mit dem Blut eines Halbseelenträgers oder eines Nefarius? Betäubt das auch?« Meine Augen fielen zu.
»Das verhält sich ein bisschen anders. Schlaf!«
Ich erkannte, dass er doch einen Duft hatte, wenn auch nicht immer. Den des Mondwindes und der Silbersterne. Ein Hauch davon roch nach Zärtlichkeit. Mondwind und Silbersterne, wie zwei Anteile
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