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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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lautlose Todesschrei drang hell wie die Mitternachtssonne durch mein Transparent. Einer der beiden Vampire starb, ich spürte einen Ruck in mir, als sich die verbannte Seele endgültig vom Körper löste, wie wenn man eine gespannte Schnur durchtrennt. Ich wollte mich nicht umdrehen – und tat es doch wie unter Zwang.
    Meine Beine zitterten. Raven stand in Flammen. In seiner Brust klaffte ein riesiges Loch, groß wie eine Faust. Wie fassungslos sah er mit gesenktem Kopf dort hinein, während Draca triumphierend etwas in der Luft schwenkte. Es war so groß wie ein Herz. Nein, es war ein Herz. Das von Raven. Draca hatte ihm das Herz aus der Brust gerissen, das Fleisch sah aus wie mit einem Julienneschneider in Streifen geschnitten. Wie erstarrt sah ich zu, wie Ravens Körper von einer Sekunde auf die andere in sich zusammenfiel wie das World Trade Center. Ein letztes Wehen von Staub in der Luft, der vom Regen weggewaschen wurde.
    Ground Zero. Nichts mehr war übrig, auch seine Seele nicht.
    Draca starrte mich über die Entfernung hinweg an. Ich spürte sein schreckliches Lächeln bis unter die Haut. Er würde sich einen Spaß daraus machen, mich zu jagen. Nur deswegen blieb ich stehen. Ich wollte kein Spielverderber sein, aber Draca war nicht unbedingt der fairste Spielkamerad. Er ärgerte sich, dass ich nicht weglief, kam bedächtig auf mich zu. Ich wartete.
    Weiteratmen. Nicht nachdenken. Stehen bleiben. Nicht weinen. Warten.
    »Um ehrlich zu sein, verstimmt es mich ein wenig, dass du nicht mitspielst.« Seine Worte hallten über die Heide, träge und nachlässig. Die Worte eines Siegers, dem die Beute winkte.
    »Mich verstimmt es, dass du deinem Partner das Herz bei lebendigem Leibe herausreißt«, sagte ich mit kalter Stimme. Er wollte meine Angst, er würde sie nicht bekommen. Er bekäme mein Blut, das musste reichen. Immerhin war es Spiegelblut. Er musste ja nicht wissen, wie sehr ich innerlich bebte und zitterte. Aber wem wollte ich da etwas vormachen? Er hörte es. Da-dam, da-dam, da-dam. Mein Herz galoppierte wie die Hengste des Lichtbringers.
    Er hob die Augenbrauen. »Ich kann dich über Jahre hinweg gefangen halten. Vielleicht töte ich dich gar nicht. Wie wäre das?«
    »Beschissen!«
    Er holte aus und schlug mir so fest ins Gesicht, dass ich ein paar Meter zurückflog und umfiel. Blut lief aus meiner Nase. Weiteratmen, nicht denken. Mein Transparent konnte ich vergessen, die Situation war außer Kontrolle. Ich hatte zu viel Blut verloren, das schwächte auch meine Spiegelblutkraft.
    »Was machst du eigentlich mit Leslie, wenn du sie nicht mehr willst?«, fragte ich und stand wieder auf. »Du könntest sie doch freilassen, du hast ja jetzt mich .« Oh Gott, er hat mich …
    »Komm her!« Er winkte mich lächelnd mit drei Fingern heran. »Dann erzähle ich es dir!« Seine Wunden heilten bereits. Etwas an ihm hatte sich verändert. Ich konnte nicht genau definieren, was es war. Vielleicht sah er menschlicher aus, weniger dämonisch. Ich schüttelte den Kopf und rührte mich nicht.
    »Noch darfst du Fragen stellen, aber das wird sich ändern, wenn du erst mein Blutmädchen bist!« Wie von Zauberhand schlossen sich die Wunden an meinen Handgelenken. Draca hatte es aus der Entfernung vollbracht. Ich war gleichermaßen erstaunt wie erschüttert.
    »Du wirst mich nicht Faylin übergeben?«, fragte ich leise.
    Er lachte. »Wie könnte ich? Faylin will dich töten. Wie könnte ich auf all das verzichten!« Er machte eine weit ausholende Geste, deutete auf alles, was uns umgab. Offensichtlich nahm er mehr wahr als ich. So war es also, wenn man seine Macht gestohlen bekam.
    »Wusstest du, dass Faylin der Erste Gefallene ist?«, wollte ich wissen und dachte an Pontus, der mich vielleicht schon suchte.
    Draca nickte und verdarb mir gründlich den Überraschungseffekt. »Ich bin einer der wenigen, der es weiß. Die Leben von sieben Spiegelseelen würden ihm wieder seine ursprüngliche Gestalt zurückgeben. So als würde er sieben Mal den Spiegel zerschlagen. Das ist es, was er will: seine ursprüngliche Gestalt.«
    »Nein, er will noch mehr. Hadurah soll nie wieder in den Himmel zurückkehren. Er will sie dafür bestrafen, dass sie ihn verblendet hat.«
    »Hadurah soll hier auf der Erde sein?« Er lachte ungläubig, aber im Grunde interessierte es ihn nicht. Nur noch ich und mein Blut waren für ihn von Bedeutung. »Das hättest du Raven erzählen sollen. Er wusste über Luzifer und seinen Fall etwas besser

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