Spiegelblut
möchtest, passe ich später ein wenig auf sie auf, dann kannst du dich um die Streitigkeiten an Glasgows Grenzlinie kümmern. Außerdem plant Faylin auch neue Blutspiele.«
»Danke, Glynis.«
Ich wusste nicht, mit wem ich lieber allein sein wollte: mit einem Vampir, der mein Blut getrunken hatte, dem ich ganz und gar gehörte und der auf 499 verschiedene Arten lieben konnte – oder mit der Vampirin, die ganz offensichtlich selbst Interesse an ihm hatte und mich am liebsten loswerden würde.
Er kam an den Kamin, ging vor mir in die Hocke und legte die Hand auf meine Stirn.
»Wie geht es dir?«
»Gut«, krächzte ich und versuchte, ihn zu fokussieren, aber sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen.
»Du hast über vierzig Grad Fieber, es kann dir nicht gut gehen.« Mein Kopf wurde angehoben, wieder bekam ich Tee mit einem Strohhalm verabreicht. Sogar das Schlucken strengte mich an, doch Damontez gab sich erst zufrieden, als ich die Hälfte des Tees ausgetrunken hatte. Tee für mein Blut.
»Tut dir etwas weh? Willst du etwas fragen?«
Ja, ich wollte wissen, ob er vorhatte, mich jetzt regelmäßig als Nahrungsquelle zu gebrauchen und ob er auch andere an mir teilhaben lassen würde, zum Beispiel diese grauenvolle Glynis. Ich wollte wissen, ob er das mit der einen Woche nur gesagt hatte, weil sie es glauben sollte oder ob er es ernst meinte. Denn wenn er es ernst meinte, könnte ich mich ebenso gut auch von der Wehrmauer stürzen. Die Gefangenschaft im Sanctus Cor war schon schrecklich genug, aber auch noch seine persönliche Blutgeisel zu sein … Ich schüttelte den Kopf, ich fürchtete mich vor der Antwort.
»Dann schlaf jetzt!« Es hörte sich an wie ein Befehl, auch wenn er freundlicher klang als sonst.
Irgendjemand klopfte.
»Herein!«
»Wie geht es Coco?«
Shanny!
»Schlecht. Obwohl ihr Körper heiß ist wie Feuer, zittert sie immer noch.«
»Vielleicht Schüttelfrost?«
»Schüttelfrost?« Daran hatte er scheinbar nicht gedacht. Ich auch nicht.
»Wenn das Fieber steigt, reagiert der Körper darauf, indem er sich versucht abzukühlen.« Sie stand jetzt rechts von Damontez, ich sah ihre Sneakers, als ich kurz blinzelte. »Sag bloß, du weißt nicht, was das ist?«
»Doch, schon mal gehört. Vor Jahren allerdings.«
»Sobald sie nicht mehr so zittert, musst du sie aufdecken. Sonst kann das Fieber nicht sinken.« Sie kniete sich neben mich und strich mir die verschwitzten Strähnen hinter die Ohren.
»Warum bist du mit ihr in den Hof gegangen?«
»Wieso warst du nicht außer Haus, wie du gesagt hast?«, stellte sie die Gegenfrage.
»Warum, Shanny?«
»Sie hat mich darum gebeten. Sie hat gesagt, sie würde den Schnee lieben. Ich wollte ihr eine Freude machen. Sie tat mir leid – ich mag sie!« Ihre Stimme klang ungeduldig. Über ihren letzten Satz musste ich lächeln.
»Hast du an die Gefahr eines Raumkrümmers gedacht?«
»Unwahrscheinlich!«
»Aber nicht unmöglich.«
»Wie soll er wissen, dass Coco ausgerechnet im Hof ist?«
»Ich traue den Visionären nicht. Was, wenn sie es sehen können?«
»Auch unwahrscheinlich.«
»Aber nicht unmöglich. Du sollst doch schlafen, Coco-Marie!«
Shanny seufzte, und ich hörte, dass sie ein Lächeln unterdrückte. »Man kann nicht auf Kommando schlafen. Selbst dann nicht, wenn du es befiehlst, Damontez.«
Er sank neben Shanny in die Hocke, wieder fasste er an meine Stirn. Entweder wurden seine Finger immer kälter oder mein Kopf immer heißer.
»Glynis wollte ihr einen fiebersenkenden Tee machen.«
»Glynis? Seit wann ist die denn um Menschen besorgt?« Noch nie hatte Shannys Stimme abfälliger geklungen.
»Sie hat sogar angeboten, bei ihr zu bleiben.«
»Diese Hexe? Bloß nicht! Das übernehme lieber ich.«
»Nein, tut mir leid.« Mein Herz setzte bei den fest klingenden Worten einen Schlag aus. »Ich habe das Gefühl, deine Gesellschaft schürt ihren Eigensinn. Und du kannst sie noch nicht so gut schützen.«
»Glynis hasst Menschen. Insbesondere Mädchen.«
»Sie wird ihr helfen, sich besser einzugliedern.«
»Coco ist ein Mensch. Menschen brauchen Freunde!« Shannys Worte stolperten schnell hintereinander weg. »Sie brauchen Nähe und Wärme von anderen, gerade Coco hat das im Moment bitter nötig. Lass wenigstens Pontus zu ihr. Ihn hat sie wirklich gern.«
»Ach ja? Woher weißt du das?« Jetzt klang seine Stimme so scharf, dass ich froh war, nicht ansprechbar zu sein.
»Hat sie mir gesagt.«
»Sie darf nicht mit ihm allein sein,
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