Spiegelblut
lenkst ihn ab, was immer du auch bist!« Sie musterte mich argwöhnisch. »Nur ein Spiegelblut kann sehen, wer von uns Vampiren seine Seele noch besitzt und wer nicht. Ein Spiegelblut oder eine Divina.«
»Eine Divina?«, hustete ich erschöpft. Mein Schädel explodierte fast unter der Anstrengung.
»Eine Lichtträgerin, die mit dem Engel der Seelen verbunden ist. Nur sie können den Unterschied sehen«, erklärte sie beiläufig, während sie in Gedanken schon dabei zu sein schien, meinen Tod zu planen. »Natürlich besitzen solch mächtige Lichtträgerinnen nur die Angelus. So können sie verhindern, dass sich ein Seelenloser in ihren Kreis schleicht. Und sicher wirst du dir auch denken können, dass die Nefarius alles tun, um gerade die Sorte Lichtträgerinnen auszurotten. Es gibt auf der Welt nicht mehr besonders viele.«
»Eine Divina«, wiederholte ich leise. »Hat Damontez eine?«
»Nein, aber er ist ganz verzweifelt auf der Suche. Vielleicht bist du ja eine Divina-Novizin und er hält dies geheim, tarnt dich als Blutmädchen? Denn ein Spiegelblut … nein … dann hätte er dein Blut nicht genommen …« Ein hinterlistiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Ich könnte von dir kosten, um es auszuschließen – vorausgesetzt, du hast bereits Kräfte. Bislang habe ich den Gerüchten keine Beachtung geschenkt. In jedem Jahrzehnt will angeblich irgendjemand Zeuge einer Seelenspiegelung gewesen sein. Alles Wichtigtuereien. Aber wieso nimmt er dein Blut?« Sie überlegte eine Weile und starrte dabei in das prasselnde Feuer »Am Leben kann ich dich schlecht lassen. Sonst erzählst du ihm noch alles – wenn er dich einmal sprechen lässt. Wie ist es, unter seiner Obhut zu stehen?«
Meine Lippen formten ein Schrecklich , aber es kam kein Ton heraus.
»Hat er dich schon geliebt?« Eifersucht färbte ihre Stimme in drei verschiedene Gelbtöne, die quietschten wie über eine Tafel gezogene Nägel.
»Nein«, flüsterte ich entsetzt. »Er ist doch nicht seelenlos.«
»Nicht ganz. Aber auch wenn die Herren der noblen Angelus immer so anständig tun: Trauen kann man ihnen nicht.« Sie strich mir die Haare hinter die Ohren und begutachtete mein Gesicht, als suchte sie nach einem Geheimnis. »Ihr Menschenkinder! Eure Zartheit, eure Zerbrechlichkeit, eure Sterblichkeit. Ihr reizt uns zu sehr. Ihr seid so einfach zu beherrschen.« Ihre Finger fuhren über meine Augenbrauen. »Schön«, murmelte sie samten. »Vor allem deine Augen. Violett. Nicht von unserer Eleganz natürlich. Aber frischer und reiner. Ob Damontez dir noch lange widerstanden hätte?« Sie hielt inne, trommelte mit den Fingernägeln an meine Schläfen. »Ich werfe dich wieder hinaus in den Schnee.« Ihr Lachen klang hysterisch. »Damit töte ich dich nur indirekt, nicht wahr? Vielleicht darf ich dann meine Seele behalten. Doch wen kümmert das schon. Damontez hat keine Divina!« Jetzt lachte sie, als hätte sie den Verstand verloren. »Und sollte er mich fragen, wo du bist, werde ich ihm sagen, du seist wieder weggelaufen. Ich konnte gar nichts tun. Du hast uns alle hereingelegt. Hast Schwäche vorgetäuscht, um Kräfte zu sammeln.«
Der Plan hatte 1000 Stolpersteine, die sie verraten konnten, aber das schien ihr egal zu sein – so verzweifelt liebte sie ihn. Bis ich ihr begegnet war, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ihn jemand lieben oder überhaupt gern haben konnte; dass er unter den weiblichen Vertreterinnen der Rasse das Prädikat begehrt trug.
»Keine Angst, es dauert nicht lange. Vielleicht ein oder zwei Stunden, du bist schon zu sehr geschwächt.«
»Wo ist Damontez jetzt?«, fragte ich voller Furcht.
»In Glasgow. Mindestens noch für drei Stunden.«
»Und Shanny?«
»Im Training. Mit Pontus übrigens.« Ihr Lächeln wurde fratzenhaft und raubte ihrem Gesicht jegliche Schönheit.
»Ich verrate dich nicht«, flüsterte ich schwach.
»Natürlich nicht, mein Kind!« Sie hob die Hand, um zum Schlag auszuholen. Ein Feuerwerk aus Schmerz und Farben rauschte durch meinen Kopf, dann wurde alles schwarz.
Als ich aufblickte, war es um mich herum weiß und kalt. Ein fremder Schmerz fraß an meinen Knochen wie ein Raubtier. Glynis war verschwunden. Ich lag bäuchlings in einem Pulverkranz aus Schnee und starrte auf meine blau gefrorene Hand, versuchte, sie zu bewegen. Nichts. Noch nicht einmal ein Zucken. Sie schien wie ein Fremdkörper, der nicht zu mir gehörte. Die Tränen, die ich geweint haben musste, waren zu Eistropfen auf den
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