Spiegelblut
ich Draca sagen, er sang es fast, während er meinen Körper immer noch kontrollierte. Mein Blut pochte hinter meinen Schläfen, pulste in meinen Handgelenken, als gehörte es bereits ihm. Er musste sehr alt und sehr mächtig sein.
»Du willst gegen mich kämpfen?«, fragte Damontez herausfordernd. Er zwang sich sichtbar zur Ruhe; ich war mir sicher, dass er es mir zuliebe tat, damit ich die Nerven behielt.
»Willst du, dass er kämpft? Oder sollte er nicht einfach darauf verzichten? Zugunsten seiner ach so flüchtigen Seele? Er muss auf sie schließlich aufpassen wie ein – wie sagt ihr Menschen doch gleich, Coco – Schießhund?«
»Speere«, sagte Damontez, jetzt wieder ganz gefasst. »Diamantsonnen.«
»Damit schreckst du mich nicht!«
»Keine Lichtwaffen!«, hörte ich Faylin protestieren, während Dracas Augen nun vor Übermut flimmerten. »Ich riskiere nicht, dass du Damontez aus einer kindischen Blutwette heraus tötest. Ich möchte mir derzeit keine Schlacht mit seinem Seelenbruder liefern! Wie immer du es auch geschafft hast …« Er klang verärgert und zugleich hocherfreut über Dracas Erfolg.
»Dann Stahlspeere«, gab Damontez nach. »Ein Treffer ins Herz ist der Sieg des anderen.«
»Einverstanden!« Dracas Blick brannte sich in meinen Geist, er malte sich bereits aus, was er alles mit mir anstellen würde, wenn er gewann. Seine Lippen öffneten sich ein wenig, die spitze Zunge fuhr spielerisch über die Oberlippe.
»Sie darf dabei sein und den Kampf mit ansehen«, hörte ich Damontez sagen. »Noch steht sie unter meiner Obhut, und ich gestatte es ihr.«
»In Ordnung!«
»Du gibst sie jetzt sofort frei!«
»Aber, aber, mein Lieber, ich hatte sie doch gar nicht. Sie hat mich aus freien Stücken erwählt.«
Plötzlich konnte ich meinen Kopf wieder drehen, stolperte ein paar Meter rückwärts, weil meine angespannten Muskeln keinen Widerstand mehr hatten. Damontez packte mich am Arm und fing mich auf.
»Aus freien Stücken, natürlich!« Damontez’ Stimme war bitterkalt und ironiegetränkt.
Um uns herum hatte sich ein großer Kreis gebildet, aber es war klar, dass der Ballsaal nicht der Kampfplatz sein würde. Ein schmaler, von Lichtträgern gesäumter Gang führte uns aus dem Saal hinaus. Mit halb gesenktem Blick lief ich hinter Damontez her, dicht gefolgt von Draca und Pontus. Ich fühlte mich wie betäubt. Warum hatte ich mich nicht an die Regeln gehalten? Er hatte gesagt: Egal was passiert! Es war meine Schuld. Ich registrierte gar nicht, wohin wir gingen, bis ich die kalte Luft auf der Haut spürte. Ich schielte ein wenig nach oben. Wir standen auf einem schmuckvollen Platz irgendwo im schneeverhangenen Schlossgarten.
Wie in Trance folgte ich den Formalitäten des Kampfes, die verlesen wurden, und bekam sie trotzdem nicht mit. Vampire und Lichtträger steckten anschließend ein Quadrat mit einem Durchmesser von höchstens zwanzig Metern ab. Damontez und Draca nahmen ihre Plätze ein. Sollte Draca gewinnen …
Nein, denk nicht dran!
Ich biss die Zähne zusammen, die immer heftiger aufeinanderschlugen, und grub mein Gesicht in die Hände. Zwei Vampire von Faylins Clan griffen mich an den Oberarmen und zerrten mich in die Mitte einer Längsseite.
»Hier bleibst du stehen und rührst dich nicht, bis Draca dich abholt«, herrschte mich der Größere an. Es war Raven. »Es wird dir unter seiner Obhut noch leidtun, nicht mich ausgewählt zu haben.« Seine Finger streiften wie zufällig meine Hand. »Aber das kannst du ja bei nächster Gelegenheit ändern. Allerdings – lass dir das gleich gesagt sein: Draca tötet seine Obhutmädchen, wenn sie versuchen, ihn loszuwerden, und er den Kampf gewinnt.«
Ich blinzelte gegen die Tränen an und dachte an Leslie. Wagte sie deswegen nicht, heute einen anderen Vampir anzusehen? Hatte Shanny Damontez deshalb nichts gesagt? Um zu verhindern, dass er einen Angelus vorschickte, der um sie kämpfte? Wusste Shanny, wie stark Draca war? Was passierte mit Leslie, wenn Draca gewann und ich sein Blutmädchen würde?
»Draca hat schon vier seiner Mädchen getötet. Eines davon nur, weil sie im Beisein anderer Vampire aus Versehen geantwortet hat.«
Mir wurde schwindelig vor Angst. Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schultern, nur ganz kurz.
»Hau ab, Raven!«
Pontus, oh Gott sei Dank!
Die Gäste verteilten sich um das Quadrat herum, jedoch dominierten Faylins Vampire in der ersten Reihe. Keines der Blutmädchen war mitgekommen und auch nur wenige
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