Spiegelblut
des Schlüsselbeins. Die Waffe in Damontez’ Fingern zuckte kurz und für einen schrecklichen Augenblick dachte ich, er würde sie fallen lassen. Stattdessen griff er sie fester. Seine Knöchel leuchteten blau, als er den Arm heben wollte, doch der Speer knapp unterhalb seiner Schulter hinderte ihn an der Bewegung.
Dracas freie Hand beschrieb eine Geste, die seine Anhänger zu Applaus animierte. Einige pfiffen, andere schrien Hassparolen auf die Angelus, viele feuerten ihn mit Namen an, riefen ein frenetisches DracaDracaDraca.
»Schluss mit der Spielerei!« Draca schrie auf und schraubte den Stahl noch tiefer in Damontez’ Schulter, schob ihn damit quer über das Feld, wie um ihn vorzuführen. Damontez’ Stahlspeer klirrte auf den Boden. Angst flammte durch meinen Körper.
Nein, bitte nicht!
Mit aller Kraft fasste Damontez nach dem Speer in seiner Brust, den Draca immer weiter in ihn hineinschraubte wie einen Korkenzieher. Gegen den Schmerz warf er sich mit seinem ganzen Gewicht Draca entgegen, die Stahlwaffe rutschte bis zur Mitte durch ihn hindurch. Damontez’ Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Draca wurde von der Wucht von Damontez’ Attacke zurückgestoßen. Der Speer glitt ihm aus den Fingern. Damontez entkam ihm mit einem Sprung in die Luft, bei dem er sich mühsam die Waffe aus der Brust riss. Blut regnete vom Himmel, und als Damontez auf die Füße kam, sah er eindeutig mitgenommen aus. Draca hatte sich in den wenigen Sekunden Damontez’ Waffe geschnappt. Wieder klirrten Speere. Ich ballte die Fäuste. Wenn es Damontez jetzt nicht gelang, den Kampf zu beenden, wäre er bald zu sehr geschwächt. Wie viel Blut durfte ein Vampir verlieren?
Irgendwann standen sie sich in einer Diagonalen gegenüber. Eine kurze Pause, in der jeder seine Chancen neu abwog und seine Technik durchdachte. Damontez’ Wunde blutete weiter, wenn auch nicht mehr ganz so stark. Draca durchbrach das Innehalten zuerst, nahm Anlauf. Damontez blieb stehen, wirbelte seinen Speer zwischen den Fingern mit einer solchen Geschwindigkeit durch die Luft, dass ich ihn nicht mehr sah. Pontus neben mir gab einen anerkennenden Laut von sich, im nächsten Moment spie Draca einen lateinischen Fluch aus.
Treffer versenkt!
Mit einem heftigen Ruck riss Damontez den Stahlspeer aus der Brust seines Gegners, zwei Zentimeter weiter links und der Kampf hätte ein Ende gefunden. Draca taumelte zurück, aber Damontez setzte keinen weiteren Stoß nach, sondern wartete. Blanker Hass loderte in den Augen des Nefarius wie ein Flakfeuer. Die Wunde in seiner Brust klaffte und ließ das rohe Fleisch im Licht gespenstisch leuchten. Blut ergoss sich über den edlen Boden, pechschwarzes Blut, das nach Schwefel stank. Oh mein Gott, ich hatte solche Angst vor Draca! Mehr als vor jedem anderen Vampir.
»Du hast die Wahl, ergib dich, und ich erspare dir den Treffer.«
Draca lachte irre. Seine Augen waren blutunterlaufen, das Gesicht geädert von schwarzen Linien. Die pechschwarze Flüssigkeit durchtränkte sein Hemd, schwappte in Wellen aus seinem Brustkorb. »Was immer du tust, Damontez … Ich werde dein kleines Blutmädchen bekommen … eines Tages, und dann …«
Was immer und dann war, wir erfuhren es an diesem Abend nicht mehr. Im nächsten Moment landete er auf dem Boden. Ich schloss die Augen, als ich das Zischen des Stahlspeeres hörte. Das Geräusch von aufplatzendem Fleisch jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Er hatte Finan getötet. Es war kein Mitleid, das mich die Augen schließen ließ, sondern Ekel.
Schade, dass es keine Diamantsonne ist!
Ohne Faylin oder einen anderen Vampir zu Gesicht zu bekommen, senkte ich den Blick auf den Boden. Das Entsetzen, die Mörder meines Bruders zu kennen, kehrte schlagartig mit dem Wissen um meine Sicherheit zurück. Die Angst, in Dracas Fänge zu geraten, hatte es mich kurzfristig zur Seite schieben lassen. In diesem albtraumhaften Zustand gefangen, trat ich hinter Damontez.
»Ich hoffe, du hast später eine gute Erklärung«, sagte er nur und ohne sich umzudrehen. Er hörte allein anhand meiner Herzschläge, dass ich hinter ihm stand. Natürlich auch an meinem Atem und an meinem Geruch, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, er konnte mich innerhalb einer Menge aus Hunderten von Menschen einzig an dem Schlagen meines Herzens von den anderen unterscheiden, so wie ich ihn jetzt in einer Schlacht Tausender Vampire anhand seiner ihm eigenen Tonfolge gefunden hätte.
Ich durfte ihm weder danken noch
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