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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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passieren, was geschehen war, als sie sich gegen dreiundzwanzig Uhr von Björn und Maxim verabschiedet hatte.
    Die ersten Gäste waren schon gegangen, der Rest hatte sich in der Küche versammelt. Plötzlich hatte Maxim das Wort ergriffen und alle hatten ihm zugehört.
    » Ich habe beschlossen, morgen nicht nach Berlin zurückzufahren«, hatte Maxim gesagt. » Jedenfalls fürs Erste. Ich werde nicht feige abhauen, solange ihr in Gefahr seid.«
    Dabei hatte er den Blick nicht von Björn abgewandt, und alle hatten gewusst, wer der wirkliche Grund dafür war, dass er bleiben wollte.
    Romy hatte die eigenen Tränen auch in den Augen ihres Bruders schimmern sehen. Vielleicht, hatte sie gedacht, war ja doch etwas dran an Maxims Gefühlen. Vielleicht liebte er Björn ja wirklich, und möglicherweise sollte sie lernen, ihn mit anderen Augen zu betrachten. Doch sie bezweifelte, dass ihr das gelingen würde.
    Widerstrebend drehte sie das Wasser ab und stieg aus der Duschkabine. Sie rubbelte sich mit einem Badetuch trocken, zog sich an, tuschte die Wimpern, trug Lipgloss auf, verrieb einen Klecks Gel im Haar, warf sich die Jacke über und verließ das Haus.
    Sie hatte keine Lust auf ein Frühstück ohne Cal und erst recht keine auf ein Frühstück mit ihm. Ihr Magen fühlte sich an, als hätte sie etwas gegessen, das ihr nicht bekommen war. Eine innere Kälte setzte ihr zu, und sie beschloss, heute auf das Fahrrad zu verzichten (das im Übrigen ja immer noch Cal gehörte) und das Auto zu nehmen.
    Lustlos kratzte sie das Eis von der Windschutzscheibe und merkte, wie ihre Fingerkuppen taub wurden. Sie hatte die Stulpen abgestreift, damit sie trocken blieben. Die winzigen Eiskristalle rieselten ihr in die Ärmel und jagten ihr kleine Schauer über die Haut.
    Wenig später betrat sie die Redaktion. Greg hatte geplant, heute Morgen mit den Mitarbeitern auf seinen Geburtstag anzustoßen, und Romy wollte seiner Sekretärin helfen, den Konferenzraum dafür herzurichten.
    Der Partyservice hatte bereits Suppe, Canapés und die Desserts geliefert. Romy holte Teller, Gläser und Besteck aus der kleinen Küche und schleppte die Getränke heran, während die Sekretärin Blumen und Kerzen verteilte und zusätzliche Stühle aufstellte.
    Die Kollegen würden erst in einer knappen Stunde erscheinen, ebenso wie Greg. Zeit genug, um die Kaffeemaschine startklar zu machen und Wasser für die Teetrinker aufzusetzen.
    Als sie fertig waren, zündeten sie die Kerzen an und löschten das Licht, das sonst fast den ganzen Tag brannte. Das kühle, sachliche Zimmer wirkte mit einem Mal wie ein anderer Raum und war beinah gemütlich geworden.
    Bald darauf waren die Glückwünsche ausgesprochen, die Geschenke überreicht, und alle hielten Teller in der Hand und haten sich in angeregte Gespräche vertieft. Romy zwang sich, auch eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen. Vor allem brauchte sie einen starken Kaffee, um die Kopfschmerzen zu vertreiben, die ihr sagen wollten, dass sie besser auf sich achten sollte.
    Das nächtliche Gespräch mit Cal drängte sich immer wieder in ihre Gedanken. Es machte sie rasend, dass er sie so entwaffnet hatte mit seinen leisen Worten, seiner gequälten Stimme und seiner Zerrissenheit. Statt voller Zorn auf ihn loszugehen, hatte sie dagesessen wie ein Häufchen Elend und die Tränen kaum zurückhalten können.
    Sie spürte ihre Ohnmacht immer noch. Gleichzeitig wuchs in ihr eine unumstößliche Gewissheit.
    Sie hatten einander verloren.
    Traurig ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Sie kannte die Kollegen und Kolleginnen inzwischen schon recht gut. Aber die Tatsache, dass sie noch Volontärin war und mit großem Abstand die Jüngste im Team, schaffte eine Distanz, die nur in manchen, seltenen Momenten bröckelte.
    Sie fühlte sich ein bisschen unbehaglich, denn sie beherrschte die Regeln der zwanglosen Unterhaltung nicht, die bei solchen Anlässen so hilfreich waren wie die Fähigkeit, mit Messer und Gabel zu essen. Außerdem kannte sie sich in diesem Geschäft noch zu wenig aus, um bei Sachgesprächen mitreden zu können. Also schwieg sie lieber und hörte zu.
    Doch heute erkundigten sich alle nach den Fortschritten ihrer Recherchen. Romy antwortete ausweichend. Sie wollte nicht ausplaudern, dass ihr Bruder die Mordopfer gekannt hatte. Es wäre ein zu guter Aufhänger für einen Artikel gewesen.
    Den sie nicht schreiben wollte.
    Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass ich mich für diesen Beruf gar nicht eigne, dachte sie.

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