Spiegelschatten (German Edition)
auf eine Reihe unterschiedlicher Symbole. Er blieb an dem Rosa Winkel hängen, dem rosafarbenen, auf einer der Spitzen stehenden Dreieck, das homosexuelle Häftlinge in den Konzentrationslagern der deutschen Nationalsozialisten tragen mussten. Weltweit wurde es danach zum Symbol der Schwulenbewegung.
» So was findest du meist bei politisch orientierten Menschen«, sagte Bert.
» Richtig. Hätten wir an den Tatorten deshalb nicht auf einen solchen Button stoßen müssen?«, fragte Rick. » Die Opfer waren doch Männer, die offen mit ihrer Homosexualität umgegangen sind.«
» Vielleicht haben wir ihn übersehen. Oder Leonard Blum und Erik Sammer waren über diese Form des öffentlichen Bekundens längst hinaus.«
» Erik Sammer war nicht mal zwanzig! In dem Alter hab ich noch heftig nach meiner Identität gesucht.«
Bert musste unwillkürlich schmunzeln. Er bezweifelte stark, dass Rick bereits fündig geworden war.
» Was gibt es da zu grinsen?«
Bert war seinem Kollegen dankbar dafür, dass er ihn aus seiner emotionalen Talsohle herausgeholt hatte. Doch nun musste er sich wieder hineinbegeben. Er warf einen Blick auf seine Notizen.
» Hör zu«, sagte er.
*
Björn konnte es nicht fassen. Eigentlich wäre Maxim jetzt auf dem Weg nach Berlin gewesen. Doch er war geblieben, wie er es versprochen hatte. Björn sagte ihm nicht, dass er keine Rücksicht nehmen und sein eigenes Leben leben sollte. Er hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen deswegen.
Maxim war hier, nichts anderes zählte.
In guten wie in schlechten Tagen, dachte er.
Sie befanden sich in einem nicht enden wollenden Albtraum. Zu der Trauer um Leonard und Sammy kam die Angst. Jeder von ihnen konnte der Nächste sein.
» Wer, zum Teufel, tut so was?«, fragte Maxim zum hundertsten Mal, ohne wirklich eine Antwort darauf zu erwarten. » Kann der Hass auf Schwule so groß sein, dass man zum Mörder wird?«
» Hass«, sagte Björn, » Abscheu, Dummheit, Selbstgerechtigkeit. Vielleicht verbindet sich das alles zusammen zu einer hochexplosiven Mischung.«
Er war froh, dass seine Eltern sich für Nachrichten aus Deutschland wenig interessierten, seit sie auf Mallorca lebten. Was er jetzt wirklich nicht brauchen konnte, waren ein besorgter Vater und eine ängstliche Mutter, die plötzlich in sich den längst erstorbenen Wunsch entdeckten, ihre Kinder vor dem Bösen auf der Welt zu beschützen. Die Weigerung der Eltern, ihre Elternrolle anzunehmen, hatte Romy und ihn viel zu früh erwachsen werden lassen. Doch nun waren sie es und brauchten keinen me hr, der sie an der Hand nahm und durchs Leben führte.
Björn musterte Maxim verstohlen. Er hatte ihn noch nie so erlebt, so besorgt, so bedrückt und so voller Trauer.
» Ich kannte Leonard und Sammy nicht so gut wie du«, sagte Maxim, der seinen Blick bemerkt hatte. » Deshalb verstehe ich ja selber nicht, warum mir ihr Tod dermaßen unter die Haut geht.«
Aber ich verstehe es, dachte Björn. Du hast Angst um mich.
Im selben Moment erkannte er, dass genau das Liebe war.
Er schwor sich, nie wieder eifersüchtig zu sein. Maxim Freiraum zu lassen. Sogar für Griet. Denn niemandem würde es gelingen, ihm Maxim wegzunehmen.
Maxim ging in den Flur und kam mit seiner Jacke zurück.
» Ich fahr noch mal kurz nach Bonn rein«, sagte er, » mir ein paar Bücher holen. Wer weiß, wie lange ich noch hierbleiben werde. Da kann ich wenigstens ein bisschen arbeiten.« Er sah Björn auffordernd an. » Kommst du mit?«
» Nein. Ich habe Josch versprochen, ihn anzurufen, um die Abschiedsfeier für Leonard und Sammy mit ihm durchzusprechen. Er ist ziemlich gut im Organisieren, aber mit der Kreativität hapert’s manchmal bei ihm.«
Wenig später hatte Maxim das Haus verlassen und Björn lag mit dem Handy auf seinem Bett.
» Zweiunddreißig Zusagen haben wir schon«, informierte ihn Josch. » Schätze, es werden morgen weit über hundert Leute kommen.«
» Wo treffen wir uns?«
» Im Innenhof der Uni. Die Verwaltung legt uns keine Steine in den Weg, solange alles friedlich verläuft. Überhaupt sind Versammlungen unter freiem Himmel in der Regel nicht genehmigungspflichtig.«
» Wann?«, fragte Björn.
» Morgen früh, wie abgemacht. Zehn Uhr.«
Der ideale Zeitpunkt. Da füllte sich die Innenstadt mit Leuten, aber noch nicht so sehr, dass sie sich auf den Füßen herumtrampelten.
» Wie ist es mit einer Rede?«, fragte Josch. » Oder mit Musik?«
» Lieber nicht«, sagte Björn. » Es gibt in dieser
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