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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wollen, hätte er es doch tun können. Zum Beispiel bei Gelegenheiten wie dieser, dachte Maxim, während ich nicht bei ihm bin.
    Die Überlegung elektrisierte ihn. Durfte er Björn überhaupt noch aus den Augen lassen? Wie sollte er ihn denn beschützen, wenn er nicht bei ihm war?
    Eilig zog er sein Handy aus der Tasche.
    » Geht’s dir gut?«, fragte er, als Björn sich meldete.
    Björns überraschtes Lachen war Antwort genug.
    » Ich bin selbst gerade unterwegs«, sagte Björn. » Hab ein paar Sachen für morgen besorgt und will mich gleich noch mit Josch treffen. Die Feier wird richtig stimmig, Maxim. Und es tut mir so gut, aktiv zu sein. Du weißt ja, dass ich nicht der Typ bin, der rumsitzt und Probleme von der einen Seite auf die andere wälzt.«
    » Stimmt.« Maxim bewunderte das an Björn, dass er zupackte, statt abzuwarten. Er war nicht das Lamm, das sich freiwillig auf die Schlachtbank legte.
    Nach ein paar Minuten beendeten sie das Gespräch, ohne sich für eine bestimmte Zeit zu verabreden.
    Allmählich füllte sich die Innenstadt. Das Wochenende bereitete sich vor. Maxim ließ sich treiben, schaute hierhin und dorthin, blieb ab und zu stehen, um sich mit einem von Björns Bekannten zu unterhalten, die allesamt gleichzeitig unterwegs zu sein schienen.
    Jeder hatte von der Abschiedsfeier gehört. Jeder wollte daran teilnehmen.
    Ob der Mörder auch da sein würde?
    Es lag doch auf der Hand, dass diese Aktion ihn anzog. Sie war ja eine einzige Provokation. Auf die er reagieren würde, das bezweifelte Maxim keinen Moment.
    Alle Teilnehmer würden an Leonard und Sammy denken. Und der Mörder würde in ihre Gedanken eindringen. Sich an der Trauer und den Tränen weiden.
    Sich unbesiegbar fühlen.
    Als Maxim durch die Fensterscheibe der Teestube spähte, um nach einem freien Platz Ausschau zu halten, fühlte er, dass ein Blick auf ihn gerichtet war.
    Kam er aus dem Innern der Teestube?
    Alle Leute, die er sehen konnte, waren in ein Gespräch mit ihrem Gegenüber vertieft oder in die Lektüre einer Zeitung oder eines Buchs. Eine junge Frau schrieb konzentriert in ein Heft. Ein alter Mann zupfte gedankenverloren an seinem Kinnbart.
    Langsam drehte Maxim sich um. Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers: Jemand starrte ihn an.
    Er blieb stehen wie angewurzelt, nahm jeden Einzelnen unter die Lupe, der sich in seinem Gesichtsfeld befand. Suchte die Fassaden der Häuser ab, hielt sich bei jedem Fenster auf.
    Nichts. Kein Vorhang, der sich bewegte. Kein Gesicht, das sich rasch zurückzog.
    Es dauerte eine Weile, bis Maxims Füße den Befehl des Gehirns empfangen hatten, dann setzten sie sich in Bewegung und wurden immer schneller. Maxim rannte zur Bushaltestelle, rempelte auf dem Weg dahin alle an, die nicht rechtzeitig auswichen. Ließ ungerührt die Beschimpfungen an sich abprallen. Spürte, wie das Gewicht der Büchertasche an ihm zerrte und zog.
    Weg, dachte er im Rhythmus seiner Schritte. Weg, weg, weg…
    Doch der Blick folgte ihm. Unerbittlich.
    *
    Schließlich hatte Rick sich doch nach Hause schicken lassen. Er hatte kaum noch auf den Beinen stehen können, so sehr hatte es ihn erwischt.
    » Heute ist Freitag«, hatte Bert ihm geduldig vorgerechnet, » da hast du ein schönes langes Wochenende, an dem du dich erholen kannst.«
    Es war ein seltsames Gefühl für Bert gewesen, plötzlich wieder ohne Rick unterwegs zu sein. Er hatte sich an ihn gewöhnt. Auch daran, nicht allein seinen Gedanken nachzuhängen, sondern sie wie bei einem Pingpongspiel mit Rick auszutauschen.
    Zuerst hatte er Frau Schlomag einen Besuch abgestattet, der Dame, die Tobias Sattelkamp mit Essen beliefert hatte.
    Immer wieder waren ihr die Tränen gekommen, obwohl sie auf den ersten Blick einen so harten, abgeklärten Eindruck machte. Sie kämpfte spürbar gegen ihre Krankheit an. Dabei stand von vornherein fest, wer den Platz als Sieger verlassen würde.
    » Die jungen Männer, die mir helfen, den Alltag zu bewältigen, wechseln ständig«, beklagte sie sich. » Kaum hat man sich an einen gewöhnt, da ist er auch schon nicht mehr da. Ich habe deshalb aufgehört, mir Gefühle für sie zu erlauben.«
    Bert, der sich auf einem Sessel mit farbenfrohem Blumenmuster niedergelassen hatte, nickte. Er konnte verstehen, dass diese Frau, die bei allem und jedem auf Hilfe angewiesen war, so lange wie möglich unabhängig bleiben wollte. Sie musste sich jeden Bereich bewahren, in dem sie selbstständig war. Und das betraf auch ihre Gefühle.
    »

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